Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.‹«
Es entstand eine längere Pause. David sträubte sich dagegen, die Konsequenzen aus Seans Andeutungen zu akzeptieren. Nach einer Weile fragte er: »Wie sind eigentlich deine Beziehungen zur Passabteilung, jetzt, wo du sie nicht mehr leitest?«
»Weshalb fragst du?«
»Nach allem, was hier in letzter Zeit geschieht, denke ich, ein Satz neuer Papiere könnte sich vielleicht als nützlich erweisen.«
»Du meinst gefälschte Ausweise?«
David erklärte genau, was er haben wollte. Ein, zugegeben, recht eigenwilliger Wunsch, wenn man nicht wusste, über welch außergewöhnliche Fähigkeiten er verfügte.
Sean schüttelte den Kopf, erwiderte aber: »Um so etwas zu bekommen, müsste ich die Spezialisten vom Geheimdienst einspannen. Wärst du bereit für einen Kuhhandel?«
»Kommt darauf an.«
»Der Secret Intelligence Service sucht händeringend nach Informanten…«
»Du meinst Spionen?«
»Ich sagte Informanten. Die politische Situation im Deutschen Reich bereitet Whitehall zunehmend Sorge. Man ist sich nicht einig, ob man die neue Regierung anerkennen und sie durch Verträge auf eine gemäßigte Politik der Kooperation verpflichten oder ob man sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen soll.«
»Du traust dich, mich als Geheimagenten anzuwerben, obwohl doch du mein Agent bist, jedenfalls so etwas Ähnliches?«
»Brauchst du nun deine seltsamen Pässe oder nicht?« David seufzte. »Ich werde mich nicht als Bauer im Schach der Mächtigen einsetzen lassen, es sei denn, ich bestimme meine Züge selbst. Bring mich mit den entsprechenden Leuten zusammen, damit ich mir ihre Wünsche anhören kann.«
David und Rebekka verließen die Wohnung von Sean und Sabrina Griffith etwa eine Viertelstunde nach zehn. Um das Bild von Ruben Rubinstein nicht zu gefährden, hatten sie ein Taxi kommen lassen. An diesem Donnerstagabend war wenig Verkehr auf den Straßen, weshalb die Droschke bereits vor elf über das Kopfsteinpflaster am Richardplatz rollte. Noch im Wagen bemerkte David, dass etwas nicht stimmte.
Vor der Hausnummer 4 standen zwei Polizeifahrzeuge sowie ein Krankenwagen. In Windeseile bezahlte David den Taxifahrer und lief in den erleuchteten Flur. Rebekka war dicht hinter ihm. Zwei Sanitäter und ein Arzt drückten sich mit ernsten Mienen an ihnen vorbei ins Freie. Die beiden stiegen langsam die Treppe zu den Parterrewohnungen hinauf. Rechts stand das Ehepaar Blumenthal und blickte auf den Boden des Treppenhauses. Über die Steinfliesen war ein weißes Tuch ausgebreitet, die Konturen eines leblosen Körpers zeichneten sich darunter ab. Zwei Polizisten versuchten ihre Stiefel von der Blutlache fern zu halten, die unter dem Tuch hervorquoll.
Mehrere Herzschläge lang waren David und seine Frau unfähig sich zu rühren.
»Es ist doch nicht… Mia?«, hauchte Rebekka endlich in Esters Richtung.
Die schüttelte nur kurz den Kopf. »Die Joleite. Angeblich soll Mia sie im dritten Stock über das Geländer gestoßen haben…«
»Schweigen Sie«, ging einer der beiden Polizisten barsch dazwischen. »Herr Kriminaloberinspektor Stänker hat jegliche Gespräche zwischen den Mietparteien untersagt, bis alle Zeugenaussagen zu Protokoll genommen sind.«
David nickte. Mit einem letzten Blick auf das sich rot färbende Leichentuch schob er Rebekka zur eigenen Wohnungstür.
»Wir stehen Herrn Stänker jederzeit zur Verfügung«, sagte er zu dem Polizisten. Der schien noch zu überlegen, ob das Redeverbot auch für Ehepaare galt. Doch bevor er eine diesbezügliche Bemerkung anbringen konnte, waren die Pratts schon in ihrer Wohnung verschwunden.
Nachdem die Polizei eine Menge Fragen gestellt hatte, die Leiche weggeschafft und das Haus von allen Staatsdienern geräumt worden war, erfuhren David und Rebekka die Hintergründe der Tragödie. Bis in die frühen Morgenstunden saßen sie zusammen mit Richard Seybold sowie Wolfgang und Anneliese Hermann bei den Blumenthals und sprachen über den schrecklichen, unfassbaren Vorfall.
Gegen sechs hatten ein Lastwagen und eine schwarze Limousine vor dem Haus gehalten. Mehrere Männer waren herausgesprungen, darunter auch der Schwarzmantel, der die Verhaftung von Horst Lotter »beaufsichtigt« hatte. Möglicherweise gehörten die Männer der Sipo an, der Sicherheitspolizei, mutmaßte Chaim. Jedenfalls dauerte es kaum zehn Minuten und die Besatzung des Lasters kam wieder das Treppenhaus herunter, beladen mit den
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