Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Minderwertigkeit nichtarischer Rassen widerlegte – der Amerikaner gewann vier Goldmedaillen. Daran musste David jetzt denken, als er den weitläufigen Raum betrat, in dem ihn Adolf Hitler erwartete.
Der Diktator schickte ihm von einem ovalen Besprechungstisch das weltoffene Lächeln entgegen, das er extra für die Olympiade eingeübt hatte. Elastisch schwang er sich aus einem Sessel und umrundete das Eichenholzmöbel, um Davids Huldigung entgegenzunehmen. Hitler trug eine hellbraune Uniform, Reithosen und schwarze Schaftstiefel. Zwar lag die Mütze neben einer Blumenvase auf dem Tisch, doch auch so musste er in seiner Montur Höllenqualen leiden angesichts der hier wie überall spürbaren Sommerhitze. Aber der »Führer« gab sich keine Blöße. Bis auf einen Schweißfilm auf der Stirn wirkte er frisch und verstrahlte staatsmännische Gelassenheit.
Im Dunstkreis des Potentaten befanden sich ein Staatssekretär mit dunklen Flecken unter den Achselhöhlen sowie nicht weniger als fünf andere Herren mit kurzen Haarschnitten, die das olympische Lächeln noch nicht so perfekt beherrschten – vermutlich Leibwächter von der SS. Durch ein offen stehendes großes Fenster im Hintergrund waren der Jahnplatz und das in der Augustsonne glitzernde Wasser des Forumbeckens zu sehen.
»Mr Trap von der Washington Post, herzlich willkommen in der freien und friedlichen Weltstadt Berlin«, begrüßte Hitler seinen Gast und noch ehe er sich wundern konnte, warum David seine Hand nicht hochwarf, dankte dieser wortgewandt für die geopferte Zeit.
»Leider kann der Führer Ihnen nur ein begrenztes Maß davon widmen, Mr Trap«, hakte der Staatssekretär sogleich ein. »Deshalb schlage ich vor, Sie setzen sich und vielleicht«, er lächelte, wie um Nachsicht heischend, »konzentrieren Sie sich bei Ihren Fragen auf das großartige Fest, das wir auf dem Reichssportfeld feiern.«
Fragenkatalog abhaken, kritische Bemerkungen uner wünscht. David hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und nahm lächelnd Platz. »Das Feld, ja«, murmelte er, als wäre er furchtbar zerstreut. Dann, als hätte er endlich seinen roten Faden gefunden, wandte er sich aufgeräumt an den Mann, den er zu seinen größten Gegnern zählte. »Herr Reichskanzler, Deutschland ist gerade Schauplatz von Kämpfen, die der Welt den Atem rauben. Wie empfinden Sie angesichts der starken Gefühle, die Ihnen so zahlreich entgegengebracht werden?«
»Ich bin tief gerührt«, gestand Hitler. »Die Olympischen Spiele verkünden der Welt Deutschlands wiedererlangte Größe.«
»Sie wollen damit sagen, der Nationalsozialismus hat Deutschland ein neues Gesicht gegeben?«
»Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken, Mr Trap.«
David nickte. »Dann sind wir uns ja einig, Herr Reichskanzler. Wie beurteilen Sie übrigens die Chancen Ihrer Truppen… äh, verzeihen Sie, Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Ich meinte, wo in der direkten Konkurrenz mit den anderen Nationen sehen Sie den deutschen Kader?«
»Natürlich werden wir den Sieg erringen.«
David nahm einen Schluck aus dem bereitgestellten Wasserglas, um die Vielsinnigkeit dieser Antwort zu verdauen und dabei unauffällig den Sitz seines Bartes zu kontrollieren. Dann lächelte er wieder und gab zu bedenken: »Aber gewisse Schwachstellen können Sie doch nicht leugnen, Herr Reichskanzler. Leider wird ja Max Schmeling nicht mehr für Deutschland in den Ring steigen…«
»Dafür haben wir Herbert Runge«, fiel Hitler dem Kleingläubigen ins Wort. »Wir werden trotzdem einen totalen Sieg erringen. Es gibt ja noch Richard Vogt, Michael Murach und diesen… diesen quirligen Kleinen…« Er blickte Hilfe suchend zu seinem Staatssekretär.
»Willy Kaiser, mein Führer«, sagte der wie aus der Pistole geschossen.
»Ja, genau. Unsere Männer werden die Gegner in Grund und Boden stampfen.«
»Ich dachte, beim Boxen seien Fußtritte nicht erlaubt«, bemerkte David scheinbar verwirrt.
»Das war nur ein Wortspiel, Mr Trap.«
»Ach, tatsächlich?«
Nun wirkte Hitler irritiert. Vielleicht dämmerte ihm auch, zu welch tiefsinnigen Äußerungen er sich hatte hinreißen lassen, aber bevor er sich darüber klar werden konnte, hakte der Wahrheitsfinder schon nach: »Sie müssen verzeihen, Herr Reichskanzler, der Sport ist eigentlich nicht meine Domäne. Lassen Sie mich kurz auf die politischen Implikationen der Olympiade zu sprechen kommen. Im Jahre 1916 wurden die Spiele Deutschland ja weggenommen, weil es als Kriegs-«
»Mr
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