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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Despoten, der für sich allein herumdokterte, den paranoiden Stalin. Hitler und er teilten eine Leidenschaft: die schnelle und restlose Beseitigung von Gegnern. Wie lange würde es also noch dauern, bis auch aus dieser Seelenverwandtschaft eine Verbrüderung wurde?
    Leider präsentierte sich der deutsche Wolf im Schafspelz. Aus der Presse konnte man spätestens seit 1935 nur Gutes über die wirtschaftliche Situation Deutschlands erfahren. Hitler gefiel sich in der Rolle des Drachentöters, Die bezwungene Bestie hieß »Weltwirtschaftskrise«. Die siechte zwar ohnehin schon seit geraumer Zeit dahin, aber das musste man ja nicht drucken. Mit allen möglichen Taschenspielertricks gaukelte Hitler der Öffentlichkeit seine vermeintliche Genialität vor: Offenbar konnte er die Arbeitslosenrate nach Belieben senken, den dabei hilfreichen »Arbeitsdienst« sinnvoll zum Bau von Autobahnen einsetzen und diese obendrein auch noch mit »Käfern« bevölkern, diesen kugeligen Kraft-durch-Freude-Wagen, die bald jeder fleißige Deutsche aus der Volkswagenfabrik abrufen würde.
    Ob nun Augenwischerei oder nicht, die vermeintlichen Erfolge des »Führers« ließen die Welt aufhorchen, ja, sogar mitjubeln. Äußerer Anlass hierfür war am 1. August 1936 die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Berlin. Deutschland lud die Welt zu sich ein und der »Führer« einen sechsunddreißigjährigen Reporter aus Amerika.
    David hatte es anfangs gar nicht glauben können, dass seine routinemäßige Anfrage vom Propagandaministerium positiv beschieden worden war. Der »Führer«, Adolf Hitler, erklärte sich zu einem Interview für die Washington Post bereit. Für bestimmte Zwecke bediente sich David einer »frisierten« Akkreditierung: Bei der zuständigen Behörde war er auch unter dem vieldeutigen Namen Hubertus Trap eingetragen. Auf jeden Fall würde Laird Goldsborough, Davids New Yorker Ressortchef bei Time, einen Freudentanz um den Artikel aufführen. Seit Beginn der Spiele waren nun schon einige Tage vergangen und David machte sich keine Illusionen darüber, welches Motiv hinter der neuen Offenheit gegenüber der Presse steckte.
    Bereits bei der Eröffnungsfeier hatte sich Hitler von aller Welt feiern lassen. David und Rebekka waren Zeugen des Spektakels gewesen. Massen von leicht bekleideten Jungen und Mädels hüpften im Kessel des Olympia-Stadions wie Maiskörner in der Pfanne, schwangen Fähnchen mit Hakenkreuzen sowie olympischen Ringen und führten allerlei andere Kraft-durch-Freude-Übungen auf. Als schließlich die Mannschaften ins Stadion einmarschierten, grüßten sie fröhlich den »Führer« der Deutschen. Sogar die Franzosen warfen in deutscher Manier die Hände hoch.
    Keine Freude, sondern Beklemmung verspürte David, als Hitler frenetischen Beifall für einen eher simplen Spruch erntete: »Ich verkünde die Spiele von Berlin zur Feier der XI. Olympiade neuer Zeitrechnung für eröffnet.« Als hätte er gerade den Weltfrieden ausgerufen!
    Ähnlich beängstigend empfand David die Atmosphäre jetzt, da der »Führer« ihn im Haus des Deutschen Sports empfangen wollte. David hatte sich kraft eigener Begabung die Haare schwarz gefärbt. Außerdem klebte auf seiner Oberlippe und dem Kinn ein dazu passender zweiteiliger Theaterbart von jener Machart, die ihn schon in Marburg verunziert hatte. Er hoffte nur, das fusselige Ding würde sich bei dem tropischen Klima nicht lösen. Die alberne Maskerade gehörte zu Rebekkas Bedingungen für die Operation »Hitzkopf« (der Name stammte ebenfalls von ihr). Immer wieder kontrollierte David den festen Sitz des buschigen Schnauzers, wobei ihn das Gefühl plagte von allen Umstehenden argwöhnisch beäugt zu werden.
    Er war nämlich nicht der Einzige, dem Deutschlands wichtigster Mann an diesem Tag die Ehre gab. Um ihn herum wartete noch eine ganze Reihe, ihm teilweise gut bekannter in- und ausländischer Reporter auf eine Audienz. Hoffentlich erkannte ihn niemand.
    Alle schwitzten, zumeist wegen des schwülheißen Sommertages, vereinzelt auch aus Lampenfieber ob der bevorstehenden Begegnung mit dem charismatischen Führer des deutschen Volkes. David widerte die Art und Weise an, wie Goebbels die Spiele propagandistisch ausschlachtete, aber er wollte sich später auf keinen Fall den Vorwurf machen, nicht alles versucht zu haben den schnauzbärtigen Choleriker von noch größeren Schandtaten abzuhalten. Mit Genugtuung hatte er verfolgt, wie mit Jesse Owens ein Schwarzer die Mär von der

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