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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Schlupfwinkel befand, ein heruntergekommenes Haus aus den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts, direkt gegenüber einer Kirche.
    Sie betraten einzeln das Haus, jeweils im Abstand von fünf Minuten, nur zur Verwirrung des zuständigen Blockwarts. Ferdinand Klotz war nicht zu Hause.
    Nach kurzer Suche entdeckte David im Küchenschrank einen Zettel.
     
    Ihr Lieben!
    Musste in einer dringenden Familienangelegenheit das Hufeisen aufsuchen. Wenn ihr Fernweh habt, trinkt im »Klabautermann« einen auf mich. Bin bis zur Feier am Sonntag wieder zurück.
    Gruß, Ferdi
     
    »Das Hufeisen?«, fragte Rebekka mit gerunzelter Stirn.
    »Er meint die Hufeisen-Siedlung in Berlin-Britz. Vermutlich handelt es sich diesmal um eine echte Familiensache, Na ja, bis Sonntag haben wir sowieso noch alle Hände voll zu tun. Und indem er auf das Fernweh anspielt, will er uns vermutlich einen Hinweis geben, wo wir uns nach einer Schiffspassage umsehen können.«
    »Dann ist der Klabautermann bestimmt der Name einer Hafenkneipe.«
     
     
    Rebekka sollte Recht behalten. Der Klabautermann gehörte nicht gerade zu den noblen Etablissements der Hafenstadt, Das Publikum, das hier verkehrte, besaß bestimmt keine Villen in Pöseldorf oder an der Elbchaussee, Eher schon heimwehkranke Seeleute kamen hierher und Gäste, die nach ein wenig Zerstreuung suchten. Die Kneipe befand sich auf der Reeperbahn, der anrüchigsten Meile der Stadt.
    Auch die Nationalsozialisten hatten mit ihren Verboten ein gewisses Gewerbe nicht aus der Stadt verbannen können: Mit genügend Kleingeld in der Tasche konnte sich ein Mann in St, Pauli all das kaufen, was er unter Liebe verstand.
    Rebekka fühlte sich jedenfalls sehr unwohl unter den musternden Blicken im Klabautermann. Es waren wohl kaum Judenkenner – jene »Spezialisten«, die einen Juden nur am Gesicht oder der Kopfform zu erkennen behaupteten –, die sie da so gierig anstarrten, eher schon vernachlässigte Seebären, deren Frauenbild sich während der letzten Monate auf ein oder zwei Fotos in ihrem Spind reduziert hatte.
    David hielt unter dem fleckigen runden Tisch Rebekkas Hand und beobachtete seinerseits die Gäste im Schummerlicht. In einer Wolke aus blauem Dunst waren gerade noch einige bärtige und zerfurchte Gesichter zu erkennen, aus denen kleine Schlote ragten, Pfeifen, manchmal sogar Havannas. Er wusste wirklich nicht, wie er hier an eine »inoffizielle« Schiffspassage kommen sollte. Der erste dieser angetrunkenen Gestalten, den er ansprach, konnte schon ein Denunziant sein. Das Risiko war einfach viel zu groß.
    Unwirsch ließ er den Blick durch das Lokal schweifen. An den Wänden hingen Fischernetze mit Schwimmern, Schiffslaternen und Rettungsringen. Der Bartresen ruhte auf einer bunt bemalten Galionsfigur, einer barbusigen Schönheit, welche die Gäste noch zusätzlich zum Trinken zu animieren schien. Dann blieb Davids Blick auf dem Mann hinter der Theke hängen.
    Der Wirt war ungefähr einen Meter neunzig groß, hatte eine Igelfrisur, ein krumme Nase und dicke Wülste unter den Augenbrauen – vermutlich ein ehemaliger Boxchampion, der seine Preisgelder in diese Kneipe investiert hatte. Eine Vertrauensperson wie aus dem Bilderbuch.
    David stieß Rebekka an und deutete mit dem Kopf zur Theke hin.
    Sie schüttelte entrüstet den ihrigen.
    »Hier gibt’s vermutlich nur Laufkundschaft. Ferdinand muss den Wirt gemeint haben.«
    Rebekkas Augen wanderten ängstlich durch den Raum. »Dann komme ich aber mit.«
    »‘ne Menge los hier«, sagte David zu dem Champion, nachdem er und Rebekka auf Barhockern Platz genommen hatten.
    »War schon besser.«
    »Sie haben Kundschaft aus aller Herren Länder, was?«
    »Jou.«
    »Nur Handelsmarine?«
    »Nee.«
    »Aber überwiegend?«
    »Jou.«
    »Und wie steht’s mit Besatzungen von Kreuzfahrern?«
    Der Wirt holte ein Tuch hervor und begann damit den Tresen zu wischen. »Zu pingelig. Denken, sie wären was Besseres.«
    »Aha.« David nickte und musterte den ehemaligen Champion abschätzend. Also ein Schwätzer war er jedenfalls nicht.
    »Noch ‘n Bier und ‘n Korn?«, fragte der Wirt.
    David nickte.
    Der Mann schenkte ein und wischte weiter.
    Nachdem David den Korn in einem Zug hinuntergekippt und einen tiefen Zug aus dem Bierglas genommen hatte, fragte er: »Gibt’s hier eigentlich auch Passagen für Kurzentschlossene? Zum Beispiel auf einem Frachter?«
    Der Champion hörte schlagartig mit dem Wischen auf und musterte erst David und anschließend Rebekka.

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