Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
mitzuhelfen, die Angelegenheiten des Staates in Eintracht zu regeln und somit Unseren Wünschen zu entsprechen.«
Die ehrenwerten Cutaways, die während der Verlesung in Verbeugung erstarrt dastanden, haben die Kürze sicherlich begrüßt. Nachdem der Kaiser die beiden Sätze mit seiner klaren Stimme verlesen hatte, stieg er die Stufen herunter. Die Zeremonie war vorüber. Wir gingen nach Hause.
Gut unterrichteten Kreisen zufolge sollte die von Hirohito angesprochene »einvernehmliche Regelung« allerdings keineswegs auf die Lösung etwaiger Differenzen mit den USA, Großbritannien, Russland oder einem der anderen Staaten angewandt werden, deren Politik Japan als Bedrohung seines »großen, vorbildlichen Zieles einer ›Wohlstandssphäre in Großostasien‹«, ja sogar als Gefährdung seiner Existenz begriff.
Der hier angeschlagene Ton gefiel David überhaupt nicht. Er glaubte, das Militärkabinett Tojos predige nur deshalb Krieg, weil keiner den Mut und die Leidenschaft aufbringe, für den Frieden zu plädieren. Wenn der Premier und seine Gefolgsleute von einem »Großostasien« sprachen, dann erinnerte das David fatal an Hitlers Traum der »Gewinnung von Lebensraum« im Osten. Den Vernichtungskrieg des »Führers« zeichnete unbarmherzige Härte aus. Wie würden sich wohl die japanischen Militärs verhalten, wenn ihre Zeit gekommen war?
Die Antwort traf am 7. Dezember 1941 um ein Uhr fünfzig New Yorker Zeit ein. Sie versetzte den Vereinigten Staaten von Amerika einen ungeheuren Schock. Seit alle Kolonialherren aus dem Land fortgejagt worden waren, hatte es keine fremde Nation mehr gewagt, das Territorium der USA anzugreifen. Doch dieses Tabu gehörte nun der Vergangenheit an. Es war von Japan gebrochen worden. In Pearl Harbor.
Um sieben Uhr fünfzig Ortszeit wurde die Marinebasis auf der Hawaii-Insel Oahu von japanischen Unterseebooten und Kampfflugzeugen angegriffen. Die im Hafen ankernden Schiffe waren so gut wie wehrlos. Acht amerikanische Schlachtschiffe und zehn weitere Schiffe wurden versenkt oder schwer beschädigt, zweihundert Flugzeuge zerstört und nahezu dreitausend Angehörige der Navy und anderer Waffengattungen getötet oder verletzt. Allein mit der USS Arizona gingen eintausendeinhundert Mann unter. Eigentlich hätte der Angriff sogar die ganze amerikanische Pazifikflotte vernichten sollen, da sich aber viele Schiffe auf See befanden, konnten die Japaner ihr Maximalziel nicht erreichen.
Ein fataler Fehler unterlief ihnen allerdings an diesem Tag, der übrigens in Tokyo, also jenseits der internationalen Datumsgrenze, schon der 8. Dezember war. Damit alles auch seine Ordnung hatte, sollte die formelle Kriegserklärung den Amerikanern »rechtzeitig« vor dem Angriff auf Pearl Harbor zugestellt werden. Leider fand sich in der Haager Konvention nirgendwo ein Passus, der die Formulierung »rechtzeitig« erläuterte. Die Militärs meinten, dreißig Minuten sollten eigentlich ausreichen.
Während Admiral Yamamoto die Flugzeuge von seinen sechs Trägern aufsteigen ließ, befand sich in der Washingtoner Botschaft Japans ein schwitzender Sekretär im Gefecht mit der Schreibmaschine. Die vierzehn Abschnitte der in einer verklausulierten diplomatischen Note versteckten Kriegserklärung kamen nur in Raten über den Pazifik. Die Dechiffrierung verlief zudem stockend. Und nun, unter dem immensen Zeitdruck, vertippte sich der bedauernswerte Botschaftssekretär ständig, was ihn – um nicht sein Gesicht zu verlieren – immer wieder zwang von neuem zu beginnen.
Aufgrund dieser und einiger anderer haarsträubender Pannen konnten der Gesandte Kurusu und Botschafter Nomura erst gegen zwei Uhr nachmittags in Richtung State Department aufbrechen. Zwanzig Minuten später überreichten sie Außenminister Cordell Hull in dessen Arbeitszimmer endlich die japanische Note. Zu diesem Zeitpunkt lag Pearl Harbor bereits in Schutt und Asche.
Als David später von all diesen Dingen erfuhr, konnte er sich gut vorstellen, was in Hirohito vorgegangen sein musste. Wegen der ganzen Begleitumstände des Kriegsbeginns hatte eigentlich er sein Gesicht verloren.
Für die nachfolgenden Ereignisse spielte es dann nur eine untergeordnete Rolle, dass Hawaii lediglich ein von den Vereinigten Staaten annektiertes Gebiet war, also nicht wirklich zum Herzland der Weltmacht gehörte. Als die Lähmung der ersten Stunden von den Amerikanern abgefallen war, ging ein Aufschrei der Empörung durch die ganze Nation. Jeder, der auch nur
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