Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
noch dazu.«
Aufgetaucht
David fühlte sich wie eine Fliege im Leimtopf Als kleiner Junge hatte er zwar schwimmen gelernt, hin und wieder war er auch nach einem Gegenstand im Wasser getaucht, aber all das ließ sich in keiner Weise mit dem vergleichen, was er jetzt durchmachte.
Während die USS Cape Johnson mit Höchstgeschwindigkeit nach Okinawa gelaufen war, hatte David einen Schnellkurs im Tauchen absolviert. Bei den ersten Atemzügen unter Wasser musste er ständig gegen ein beinahe übermächtiges Erstickungsgefühl ankämpfen. Die Minenräumspezialisten der Navy hatten ihn mit einem self-con tained underwater breathing apparatus ausgestattet, ein Spe zialgerät, das sie der Einfachheit halber nur scuba nannten. Dieser Apparat war eine geniale Erfindung, er erlaubte es dem Taucher, sich unter Wasser völlig frei zu bewegen. Entsprechende Atemgeräte wurden erst seit kurzem eingesetzt, vorwiegend von Marinetauchern.
Sobald David an Bord der USS Cape Johnson eingetroffen war, hatte Fregattenkapitän Jeremy F. Walters Kurs auf die Bucht von Sagami genommen, die im Osten von einer Halbinsel begrenzt war. Dort, ganz im Süden, lag das Städtchen Miura. David hatte dem Vorschlag einiger Experten vom Marinegeheimdienst zugestimmt, die ihn an einem ungefähr drei bis vier Meilen von der Stadt entfernten Strandabschnitt absetzen wollten. Dort sollte er sich dann selbst eine Transportmöglichkeit suchen, um die Bucht von Tokyo, die sich der Halbinsel im Osten anschloss, zu umrunden und lebend den Kaiserpalast zu erreichen.
Das Unterseeboot war mit voller Kraft durch den Pazifischen Ozean gepflügt: David sollte möglichst zwei Tage vor dem Eintreffen des »kleinen Jungen« in Hiroshima nahe am Strand »ins Wasser geblasen« werden. Als sich die USS Cape Johnson der Küste bis auf weniger als eine Meile genähert hatte, musste er sich samt Atemgerät in eines der Torpedorohre schieben lassen. Dann wurde der Deckel hermetisch verschlossen. David kam sich vor wie eine Sardine in der Büchse. Schließlich öffnete sich die äußere Klappe und Wasser strömte in das Rohr. Mühsam kämpfte er sich aus seiner Konservendose hervor.
Bald rann ihm der Schweiß in Strömen über den Körper. Noch nie war ihm eine Dreiviertelmeile Fußweg so lang erschienen. Er kämpfte sich langsam voran. Der mit komprimierter Luft gefüllte scuba, ein wasserdichter Rucksack und außerdem noch ein schwerer Bleigürtel hielten ihn sicher am Meeresgrund fest. Aber was hieß schon sicher? Bei seinem unbeholfenen Marsch über Schlick, Steine und Algen konnte er jeden Augenblick auf eine Mine treten.
Schritt für Schritt tastete er sich in Richtung Strand. Da die Sonne noch nicht aufgegangen war, bewegte er sich in völliger Dunkelheit. Wieder ein Schritt. Der nächste würde ihn gegen einen großen Felsen stoßen lassen – sein sechster Sinn hatte ihn noch rechtzeitig gewarnt. Wie in Zeitlupe stapfte er um den Gesteinsbrocken herum.
Nach ein paar weiteren schwerfälligen Schritten bekam David einen Riesenschreck: Eine Mine musste vor ihm mitten auf dem Weg liegen! Er änderte die Richtung. Wenigstens versuchte er es, denn eine plötzliche Strömung trieb ihn wieder zu der Gefahrenquelle zurück. Einen schlimmen Augenblick lang kämpfte er über der Sprengfalle mit seinem Gleichgewicht. Dann stürzte er – wie man eben unter Wasser stürzt. Und im Fallen konnte er sich gerade noch rechtzeitig drehen und sank nur Millimeter neben der Mine in den Schlick.
Nach einigen tiefen Atemzügen rollte er sich von der Bombe fort, richtete sich mühevoll auf und marschierte weiter. Doch wohin?
Zum Glück hatte David einen Armbandkompass dabei, dessen Nadel und Windrosenmarkierungen in phosphoreszierendem Grün leuchteten. Ohne das Instrument wäre er vermutlich der Cape Johnson gefolgt. Hinaus aufs offene Meer.
»Laufen Sie immer stur nach Norden«, hatte Captain Walters ihm eingebläut. Leicht gesagt, wenn man in absoluter Finsternis immer wieder dem Tod ausweichen musste.
Die USS Cape Johnson war ein Diesel-U-Boot mit hochmoderner Sonarausstattung, dazu konstruiert, sich aus großen Tiefen unter die Schiffe des Gegners zu schleichen und sie mit seinen Torpedos zu zerstören. An diesem frühen Morgen des 4. August allerdings operierte es in einem Gewässer, das selbst der unerschrockene Fregattenkapitän Jeremy F. Walters fürchtete: Es war seicht, minenverseucht und befand sich in Sichtweite des Feindes. Der U-Boot-Kommandant
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