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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Unnötigerweise erinnerte David den Oberbefehlshaber an die Schlacht von Leyte, in der die Japaner einen makabren Anschauungsunterricht über ihre Lebensphilosophie gegeben hatten. Während der erbittert geführten Luft- und Seeschlacht um die Philippinen kam ein »göttlicher Sturm« über die Kriegsschiffe der Alliierten, den man in Japan kamikaze nannte. Wie aus Geheimdienstberichten hervorging, waren junge Flieger ausschließlich für diesen einen und einzigen Kampfeinsatz ihres Lebens ausgebildet worden: Mit ihren Maschinen voller Sprengstoff stürzten sie sich geradewegs auf die Schiffe des Gegners. Angeblich hatten auf diese Weise bereits zweitausendfünfhundert Piloten den Tod gefunden. Fanatiker wie Admiral Onishi, der Kommandeur des Kamikaze-Korps, und der Kriegsminister General Anami hatten sogar die Forderung erhoben, Japan selbst solle seppuku begehen. Zehn Millionen zum Sterben entschlossener Menschen würden schon ausreichen, um den Feind hinwegzuschwemmen.
    »Und wenn sie noch so fanatisch sind, es muss einen anderen Weg geben, als eine ganze Nation auszulöschen«, schloss David seinen Exkurs. Nachdenklich kraulte er sich den Bart.
    General MacArthur blickte grimmig drein und brummte: »Vielleicht sollten wir ein Exempel statuieren, ein so abschreckendes Zeichen setzen, dass selbst einem Kamikaze -Piloten noch die Hand am Steuerknüppel seiner Maschine gefriert.«
    David blickte entsetzt zum General auf. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts«, erwiderte General MacArthur schnell, für Davids Geschmack ein wenig zu schnell. »Es war nur so ein Gedankenspiel.«
     
     
    Nach der verlustreichen Landung amerikanischer Truppen auf der japanischen Vulkaninsel Iwojima im Februar und März 1945 erlebten Nippons Industriestädte, was zuvor schon Berlin, Hamburg, Dresden und vielen weiteren Metropolen in Deutschland widerfahren war: Sie wurden mit Bomben zugedeckt.
    Admiral Chester W. Nimitz hatte mit der Einnahme Iwojimas, der bald auch die Eroberung Okinawas folgte, die Voraussetzung für einen Plan geschaffen, der nach Präsident Harry S. Trumans Ansicht dem Krieg endlich ein Ende setzen und damit das Leben vieler junger Amerikaner retten sollte. Jedoch zu einem denkbar inakzeptablen Preis.
    Hätte David die Einzelheiten des Vorhabens gekannt, wäre er vermutlich mit der nächsten Versorgungsmaschine nach Washington geflogen und hätte seine ganze Begabung darauf verwandt, den Präsidenten umzustimmen. Aber leider kam alles ganz anders.
    »Erinnern Sie sich an unsere Unterhaltung von neulich, als ich davon sprach, vielleicht ein Exempel statuieren zu müssen, um den japanischen Widerstand endlich zu brechen?« Der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte im Pazifikraum sprach gepresst, in seinem Mund steckte eine dicke schwelende Zigarre.
    David blickte erschrocken in General MacArthurs Gesicht. Sie saßen in Bambusstühlen vor einem Haus oberhalb eines idyllischen Strandabschnitts im Südwesten Okinawas, und während die blutrote Sonne langsam am Horizont versank, warteten sie vergebens auf eine frische Brise vom Meer. Das subtropische Klima der Insel machte es schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wer nachts vor Hitze kaum schlafen konnte, wurde eben früher oder später gereizt. Davids heftige Erwiderung hatte jedoch einen anderen Grund.
    »Das dürfen Sie nicht tun, Sir! Wenn Sie das Leben tausender unschuldiger Zivilisten opfern, werden irgendwann Sie am Pranger der Geschichte stehen – als Massenmörder.«
    »Sie wissen doch gar nicht, was die Stabschefs in Washington planen.«
    »Ach, lassen wir doch diese Spielchen, Dough. Sie haben letztens von einem Exempel gesprochen, das sogar einem Selbstmordpiloten das Fürchten lehren würde. Meinen Sie, ich kann nicht eins und eins zusammenzählen? Sie, die Stabschefs, der Präsident, oder wer auch immer, sind auf die phantastische Idee gekommen, ein dermaßen abschreckendes Massaker anzurichten, dass die Japaner einfach gezwungen sind klein beizugeben. Das stimmt doch, oder etwa nicht?«
    »Das Wort ›Massaker‹ gefällt mir in diesem Zusammenhang gar nicht, David. Wenn in diesem Krieg jemand zynisch und grausam zu seinem Gegner war, dann die Japaner.«
    »Und das gibt Ihnen das Recht, es nun ebenfalls zu sein?«
    General Mac Arthur hatte David noch nie so aufgebracht erlebt. Er nahm seine Zigarre aus dem Mund und breitete die Hände aus. »Was wollen Sie eigentlich, David? Die Japaner haben es sich doch selbst zuzuschreiben, wenn wir nun mit

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