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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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der Stadt beobachten lassen«, fuhr Caterina unbeirrt fort. »Mit einem Fleischtransporter können Sie Mailand unauffällig verlassen.«
    »Und Sie meinen, Ihr Vetter würde das wirklich für uns tun?«
    »Dafür sorge ich schon.«
    David betrachtete nachdenklich die Ehrfurcht gebietende Italienerin. Langsam begann er zu nicken. »Das könnte funktionieren. Natürlich würde ich Silvio die Unkosten großzügig erstatten.«
    »Bestimmt wird ihm das die Entscheidung erleichtern, Signore.«
    »Ich nehme an, er ist auch ein Cecchetti wie Sie und Ihr tanzender Onkel?«
    Caterina ließ das Lachen eines schüchternen Schulmädchens erklingen. »Natürlich, die Cecchettis sind eine ziemlich große Sippe.« Dann tänzelte sie mit ihrem Beil aus dem Zimmer.
     
     
    Silvio Cecchetti hatte beinahe zehn Jahre lang in Deutschland als Trompeter in einem Orchester gespielt. Als dann der Große Krieg begann, zwang ihn Italiens Ausscheren aus dem Dreierbund zu einer überstürzten Heimkehr. Nun bildete die Sprache des einstigen Gastlandes die Grundlage für den Gedankenaustausch zwischen ihm und seinen Fahrgästen. Silvio war etwa Mitte vierzig, schlank, ungefähr einen Meter fünfundsechzig groß, verfügte über einen buschigen Schnurrbart sowie Reste einer ehemals schwarzen Kopfbehaarung. Darüber hinaus erfreute er sich einer unverwüstlich guten Laune und konnte zu allem Übel auch noch reden wie ein Wasserfall. »Scheint eine Erbkrankheit zu sein«, flüsterte David auf Englisch in Rebekkas Ohr. Gerade hatten sie Genua hinter sich gelassen und in seinem Kopf machte sich ein stechender Schmerz breit.
    Sie lächelte, als wollte sie sagen: Sind nicht alle Italiener so?
    Außerdem war Silvio ein begnadeter Dichter.
    »Drückt der Fahrer auf die Tube, kommt er schneller in die Grube.«
    David stöhnte.
    Silvio reagierte mit einem lauten Lacher und riss das Lenkrad herum, was den Fahrgästen einmal mehr das Leben rettete. »Ist er aber gar zu langsam, kommt sein Karren nie am Ziel an.«
    »Silvio!«, flehte David. »Kannst du nicht eine Minute den Mund halten? Mir dröhnt der Schädel.«
    Der lebhafte Italiener lachte erneut auf. »Ihr Mitteleuropäer seid unsere Küstenstraßen eben nicht gewohnt. Das gibt sich bald. Wir könnten einen Abstecher nach Portofino machen.«
    »Bitte nicht!«, flehte David. »Fahren Sie uns einfach auf direktem Wege nach Rom.«
    »Musst du im Leben immer hasten, darfst erst im Grabe müßig rasten.«
    David schloss die Augen und ließ sich von Rebekka trösten. Seltsamerweise kam sie mit dem dichtenden Fleischfahrer sehr gut zurecht. Sie verwickelte Silvio in ein Gespräch, das Davids strapazierte Nerven ein wenig entlastete – jetzt konnte er wenigstens ab und zu eine andere Stimme hören.
    Es war ein frühlingshafter Februartag, viel zu warm für die Jahreszeit. In Silvios Laster herrschte beinahe ein subtropisches Regenwaldklima, hervorgerufen durch die gnadenlos einfallende Sonne und die Schweißabsonderung der Insassen. Dieser Umstand verschlimmerte noch zusätzlich Davids desolaten Zustand.
    Wie die meisten Fahrzeuge in diesem Land, war auch der Fleischtransporter ein FIAT. Er bestand aus einem gegen Wärme isolierten, geschlossenen Ladeabteil, in dem normalerweise das Fleisch auf Eis lag, und aus einer Fahrerkabine mit einer einzigen durchgehenden Sitzbank. Wenn der Transporter die Serpentinen hinabfegte, dann mussten die Passagiere fest zupacken, um nicht hin und her zu rutschen. David hatte die Weltmeere in großen und kleinen Schiffen befahren und noch nie unter Seekrankheit gelitten – bis er an diesem Tag in Silvio Cecchettis Wagen gestiegen war.
    Der ließ sich von dem mangelnden Frohsinn seines Beifahrers nicht entmutigen. Bis zum Einbruch der Dämmerung jagte er seine »Schweinekutsche« erbarmungslos die gewundene Küstenstraße entlang.
    Am Abend stieg David mit grünem Gesicht vor einem kleinen Hotel namens Corona Grossa aus. Er hoffte, Pisa werde die einzige Zwischenstation auf ihrer Reise bleiben. Der Anblick des schiefen Turms im unverschämt geraden Fensterrahmen ließ Rebekka verzückt aufseufzen, bei David bewirkte er eher das Gegenteil. Dementsprechend unbehaglich gestaltete sich für ihn die Nacht.
    Am nächsten Morgen fühlte er sich wie gerädert, was Rebekka nicht daran hinderte, ihn auch noch der Folter ihrer strahlenden Laune auszusetzen. Silvio scheuchte seine Passagiere erneut auf die Sitzbank. Über Livorno und Grosseto ging es immer weiter nach Süden, vorbei an

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