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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Civitavecchia, bis sie endlich zu später Stunde die Ewige Stadt erreichten.
    Die weitläufige Cecchetti-Sippe verfügte auch über einen Repräsentanten in der römischen Via dei Giubbonari. Silvio erklärte, es handele sich hierbei um einen Vetter zweiten Grades, der an der Gregoriana, der päpstlichen Universität, Forschungen über theologische Dogmatik betreibe. Vetter Giancarlo habe sich spontan bereit erklärt Caterinas Schutzbefohlene vorübergehend aufzunehmen.
    Wie sich schnell herausstellte, war der Doktor ein überraschend stiller Mensch, was eine gewisse verwandtschaftliche Distanz zwischen seinem und Silvios Zweig der Familie dokumentierte. Wie sein dichtender Vetter war Giancarlo Guicciardini nicht sehr groß, dafür jedoch deutlich fülliger. Er besaß auch keinen Bart, dafür aber eine Nickelbrille. Im Vergleich zu Caterina und Ballettmeister Enrico bewegte er sich weniger anmutig, er litt unter Plattfüßen. Sein zurückhaltendes Wesen mochte den Schluss nahe legen, er sei mit Begriffsstutzigkeit geschlagen, was angesichts seines Berufes aber kaum denkbar schien. Zu erwähnen wäre noch, dass der Doktor zum Schwitzen neigte und selten einen Satz ohne die Wendung »So Gott will« zum Abschluss brachte.
    Die vorübergehende Einquartierung der beiden – wie man glaubte – frankokanadischen Gäste forderte dem Theologen nicht unerhebliche Zugeständnisse ab. Er lebte seit Jahren allein und war es nicht gewohnt, in den eigenen vier Wänden Rücksicht auf jemand anderen als seinen sprechenden Graupapagei zu nehmen.
    »Unsere Familie hält in guten wie in schlechten Zeiten zusammen«, begründete Guicciardini seinen bewundernswerten Opfergeist in französischer Sprache.
    »So Gott will«, knarrte der Papagei von der Stange, ganz im Sinne seines Herren, jedoch auf Italienisch.
    Rebekka schritt mit staunenden Augen durch den großen Salon, dessen stuckverzierte Decke mindestens drei Meter über ihr schwebte. Der ehrwürdige rote Ziegelbau in der Via dei Giubbonari war bereits seit Generationen die Adresse hoher kirchlicher Würdenträger und angesehener Akademiker der päpstlichen Universitäten. Guicciardinis Salon spiegelte die denkwürdige Geschichte des fünfstöckigen Gebäudes eindrucksvoll wider. Der Raum beherbergte ein wahres Sammelsurium an antiken Möbeln und pausbäckigen Porzellanfigürchen, Letztere vorwiegend unbekleidet.
    Der Doktor verfolgte Rebekkas neugierigen Erkundungsgang mit den misstrauischen Augen eines Museumswächters, während David sagte: »Ich bin Ihnen für Ihre Gastfreundschaft wirklich zu großem Dank verpflichtet. Wir wollen Ihnen nicht länger zur Last fallen als unbedingt nötig, Dottore. Gleich morgen werde ich mich nach einem geeigneten Quartier umsehen.«
    Guicciardini riss sich von Rebekkas Anblick los. Er wirkte erleichtert. »Rom ist eine große Stadt, So Gott will, werden Sie schon bald etwas Passendes finden. Darf ich fragen, was Sie an den Tiber verschlagen hat?«
    »Ich recherchiere.«
    »So, so.« Guicciardini hievte erwartungsvoll die Augenbrauen über den Rand seiner Brille.
    »Das Time-Magazin wird Ihnen sicher ein Begriff sein.«
    Das runde Gesicht des Doktors begann zu strahlen, »Oh sicher!«, antwortete er (überraschenderweise nun in Englisch). »Sie schreiben für Time. Ich darf von mir sagen, auch hin und wieder einen Beitrag im Osservatore Romano veröffentlicht zu haben. Es wäre mir eine große Freude, wenn wir uns einmal austauschen könnten.«
    »Das Vergnügen wird ganz auf meiner Seite sein.«
    »Sie sind gewiss an Kunstgeschichte interessiert?«
    »Das ist eher die Domäne meiner Gemahlin. Mein Augenmerk gilt mehr dem Vatikan.«
    Guicciardinis Augen leuchteten vor stillem Glück. »Oh, wie prachtvoll! Dann kann ich vielleicht sogar einem Kollegen behilflich sein.«
    Manchmal war sich David wirklich nicht sicher, ob Glück oder eine höhere Fügung ihm immer wieder den Weg bahnte. Er lächelte fast schüchtern. »Sie sind überaus freundlich, Dottore. Ich nehme Ihr Angebot gerne an. Es gibt da einige Würdenträger in der Kurie, die mich besonders interessieren. Mit Ihrer Hilfe könnte ich sie vielleicht kennen lernen.«
    Der Papagei wippte auf seiner Stange und krähte: »So Gott will.«
    Rebekka schwelgte geradezu in den Sehenswürdigkeiten der Ewigen Stadt. Vor allem im Zentrum stieß man an jeder Straßenecke auf neue An-, Ein- und Ausblicke. Da gab es Triumphbögen, Brunnen, Villen, unzählige Obelisken und Figuren, Gärten und Piazze,

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