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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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erlaubte seinem Vertrauten für sich selbst zu antworten.
    »Bei manchen Menschen genügen schon wenige Worte, um ihre wahre Natur zu erkennen, Signor Cournot, Bei Ihnen bin ich mir sicher, dass Sie ein gutes Herz haben…«
    »Obwohl Er kein Katholik ist«, platzte Pius dazwischen, »Was hält Er davon, wenn wir unsere Unterhaltung auf dem Dach fortsetzen?«
    Dieser frohgemute Mann gab David immer neue Rätsel auf. »Auf dem Dach?«
    »Wir haben da einen netten Garten. Nicht so pompös wie die Anlagen hinter dem Dom, aber dafür erheblich verschwiegener. Wir wollen ein wenig plaudern, solange der Arzt Seine Wunde versorgt.«
    Der Dachgarten des Papstes mochte der Ungeduld eines seiner Vorgänger hinsichtlich der Erlangung des himmlischen Paradieses entsprungen sein. Den Wolken ganz nahe, konnte man auf ihm das viereckige Wohngebäude des weitläufigen Palastes einmal ganz umrunden. Pius stand jedoch nicht der Sinn nach Spaziergängen im Grünen, er wollte einfach das Brausen des Windes im Gesicht spüren, diese unbändige Kraft, die eben noch auf dem Petersplatz fast eine Katastrophe ausgelöst hätte.
    Ein Reihe von Quermauern unterteilte den päpstlichen Dachgarten in mehrere Lauben, von denen jede für sich dem Wind erstaunlich gut Paroli bot. Nur hin und wieder zupfte der Sturm mit seinen Fingerspitzen am Käppi des Papstes.
    Die Privataudienz in luftiger Höhe setzte sich ebenso ungezwungen fort, wie sie kurz zuvor ein Stockwerk tiefer begonnen hatte. Während Pius’ Leibarzt persönlich das verletzte Knie des Lebensretters säuberte, desinfizierte und verband, plauderte das geistliche Oberhaupt von fast einer Milliarde Menschen wie der besagte Großvater mit dem Enkel.
    David, dem in diesem Spiel die Rolle des Kindeskinds zugedacht war, brauchte eine Weile, bis er sich auf die neue Situation eingestellt hatte. Anfangs bestand sein Beitrag zu dem Gespräch hauptsächlich in verständigem Nicken. Aber dann erinnerte er sich der eigenen Erwartungen an diese Begegnung und wurde mutiger. Er erzählte aus seinem aufregenden Reporterleben, tat offen seine Meinung kund und stellte sogar Fragen.
    Nach einer gewissen Zeit erkundigte sich der Papst nach dem Anlass von Davids Besuch im Vatikan. War er als Tourist gekommen, um die Kunstschätze zu bewundern?
    Nein, antwortete der Gefragte und lenkte das Gespräch geschickt auf die mit Kardinal Pacelli besprochenen Fragen. David wollte hören, wie Pius XI. darüber dachte.
    »Ich kann Seine Beunruhigung verstehen. Uns ergeht es ähnlich«, sagte der Papst, Bezug nehmend auf die von David angesprochenen politischen Entwicklungen in Deutschland und Italien. Er rieb sich mit der Hand das Kinn und blickte nachdenklich nickend auf einen vom Gärtner übersehenen Löwenzahn.
    »Dennoch habt Ihr, Exzellenz, ausgerechnet den Faschisten erlaubt die römische Frage durch ein Abkommen zu klären. Viele Menschen sind beunruhigt durch die moralische Aufwertung, die Mussolini dadurch erfahren hat.«
    »Leider verstehen nur wenige die größeren Zusammenhänge, die Uns zum Abschluss der Lateranverträge bewogen haben.«
    »Ich frage mich, ob der Zweck wirklich jedes Mittel heiligt.«
    Ein unwilliger Ausdruck erschien auf Pius’ Gesicht. »Er ist recht mutig, Uns Derartiges an den Kopf zu Werfen.«
    David lächelte gewinnend. »Ich weiß. Früher hätte mich die Inquisition dafür auf dem Scheiterhaufen verbrannt.«
    »Was würde Er denn tun, wenn Er an Unserer Stelle auf dem Stuhle Petri säße?«
    Die Frage verblüffte David. Er musste sein Bild von diesem mächtigen Mann wohl gründlich revidieren. Nachdenklich wiegte er den Kopf hin und her. »Ich würde die Menschen den Geist der Bergpredigt lehren, damit sie selbst, jeder für sich, ihre Schlüsse ziehen können. Und mir läge viel daran, in persona, durch den Klerus und als Kirche insgesamt ein nachahmenswertes Beispiel zu geben.«
    Pius sah seinen Gast aus finsterer Miene an. David fürchtete schon den Bogen überspannt zu haben und bereitete sich auf ein infernalisches Wortgewitter vor, aber dann antwortete der Papst nachdenklich: »Seinen Worten entnehmen Wir, dass Er dieses Vorbild vermisst.«
    »Mir ist zu Ohren gekommen – nur um ein Beispiel zu nennen –, dass der Vatikan Beteiligungen an Munitionsfabriken hält. Es heißt, König Viktor Emanuel III. habe noch immer nicht die Niederlage verwunden, die Francesco Crispi, der Premier seines Vorgängers, gegen Ende des letzten Jahrhunderts in Abessinien erleiden musste. Wenn

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