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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Erstarrung abgeschüttelt und nahm den Knaben aus Davids Armen. Auch die Mutter gesellte sich nun hinzu. Nach Einbeziehung der übrigen Familienangehörigen erklang bald ein lautstarker Choral aus Trostworten für das Kind und Danksagungen an Gott.
    David ließ stöhnend den Hinterkopf auf das Pflaster sinken und schloss die Augen. An weitere »unauffällige« Unternehmungen war jetzt nicht mehr zu denken. Hoffentlich hatte wenigstens niemand den zuletzt wie verlangsamt wirkenden Sturz des Standbildes bemerkt. Keuchend setzte er sich wieder auf und klopfte den Staub von seinen Ärmeln. Dabei musterte er fast bedauernd die Trümmer der Figur. Früher am Tag hatte er einen Fremdenführer sagen hören, dass insgesamt zwei mal siebzig Heiligen- und Märtyrerstatuen die Kolonnaden krönten. Jetzt waren es nur noch einhundertneununddreißig.
    Als er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine hievte, verlagerte sich die Begeisterung der Familie endlich auf das »Werkzeug des Herrn«.
    In den nächsten Minuten wurde er mit Dankesworten überschüttet, die einen Guiseppe Verdi – so er denn noch lebte – wohl umgehend zu einer neuen Oper animiert hätten. David lächelte, so gut es ging, nickte, ließ sich umarmen und schüttelte Hände. Nebenbei blickte er sich unauffällig um. Ungefähr zweihundert Menschen verfolgten den Schlussakt des Dramas, dessen Beginn nur eine Hand voll mitbekommen hatte.
    David musste versprechen die Familie Sbalchiero bei nächster Gelegenheit in Anzio zu besuchen. Erst danach durfte er sich langsam entfernen. Humpelnd – sein rechtes Knie war aufgeschlagen – machte er sich in Richtung Engelsburg davon. Der Blick auf die Armbanduhr war beruhigend: erst Mittag. Rebekka würde noch nicht allzu besorgt sein…
    »Einen Moment bitte!«
    David blickte von seiner Uhr auf und blieb abrupt stehen.
    Zwei Männer versperrten ihm den Weg. Hätte er den Aufzug der beiden in diesem Moment zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, wären die absonderlich Gewandeten ihm wohl wie aus einem Theater entlaufene Possenreißer vorgekommen – einmal abgesehen von den Spießen.
    Die Kleidung der zwei hoch gewachsenen Posten der Schweizergarde war längs gestreift. Sie beglückte das Auge des Betrachters mit fröhlichem Rot, Gelb und Blau. Das breite Streifenmuster zierte sowohl die lustigen Pumphosen als auch die engen Gamaschen. Dazu trugen sie einen vergleichsweise faden Hut – er war schwarz und erinnerte in seiner Form an die Kopfbedeckungen spanischer Konquistadoren.
    »Ja?«, fragte David ungehalten. Sein schmerzendes Knie erlaubte keinen freundlicheren Ton.
    Der große Gardist blickte ernst auf ihn herab. »Wir müssen Sie bitten mitzukommen.«
    »Und wenn ich nicht möchte?«
    »Es handelt sich um einen Befehl. Notfalls müssten wir Ihrem Entschluss ein wenig nachhelfen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Aber Signore, warum sollte ich mir das ausdenken?«
    »Wer will mich sprechen?«
    »Seine Heiligkeit, Signore.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Ach was! Irgendjemand hat Ihnen einen Floh ins Ohr gesetzt.«
    »Seine Heiligkeit beliebt keine Scherze zu machen.«
    »Das mag ja sein, aber jetzt lassen Sie mich bitte gehen.«
    Zwei gekreuzte Lanzen versperrten David den Weg. »Der Anruf kam soeben aus dem Palast. Vermutlich ist Ihre heldenmütige Aktion auf der Piazza Seiner Heiligkeit nicht entgangen und nun möchte sie Ihnen danken.«
    »Macht er so etwas öfter?«
    »Während meiner ganzen Dienstzeit hat es keinen ähnlichen Vorfall gegeben. Würden Sie uns jetzt bitte begleiten, Signore?«
    David überlegte einen Augenblick, ob er den Gardisten irgendetwas Farbiges antun oder ihre Lanzen aus der Sonnenumlaufbahn ausklinken sollte oder… Ach, er wusste ja selbst nicht, was er von dieser grotesken Situation halten sollte. Wochenlang hatte er um einen Interviewtermin bei Kardinal Pacelli gekämpft und nun wurde er vom Papst persönlich zu einer Privataudienz geladen. Er seufzte.
    »Also gut. Ich komme mit.«
    Die Gardisten wirkten erleichtert und wollten sich schon zur Eskortierung des Gastes in Bewegung setzen, als dieser unvermittelt »Halt!« rief.
    Die Lanzenträger waren auf militärisch kurze Kommandos gedrillt, sie blieben sofort stehen und sahen David fragend an.
    Der lächelte schief. »Bitte keine Gewaltmärsche, ich habe mir das Knie aufgeschrammt.«
    Gemessenen Schrittes wanderte David nun ein zweites Mal an diesem Tag durch vatikanische Gänge, Treppenhäuser und Hallen. Der eigentliche Papstpalast

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