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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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meine Botschaften also nicht abgeschreckt«, freute sich Fresenius.
    »Zum Glück waren wir vorgewarnt«, erwiderte David lächelnd.
    »Dante und Goethe – für mich zwei der größten Literaten des Jahrtausends – haben ihre Mitmenschen reich beschenkt: durch neue Worte. Ich nenne das ›Sprachveredelung‹. Zugegeben, ein armseliger Abklatsch goethischer Wortschöpfungen.« Fresenius setzte eine säuerliche Miene auf und zog den Stuhl vom Tisch. Erst als er Rebekka ansah, kehrte sein verschmitztes Grinsen zurück. Er deutete mit der Hand auf das Sitzmöbel. »Setzen Sie sich doch bitte, Gnädigste. Ich habe Hummeln im Hintern, mir macht es nichts aus zu stehen.«
    Während Rebekka Platz nahm und sich interessiert dem Titel eines kleinen, vor ihr auf dem Tisch liegenden Buches widmete, hingen Davids Gedanken noch dem zweiten Dichterfürsten nach, den Fresenius als Johann Wolfgang von Goethe enttarnt hatte.
    Die dünne Stimme des Direktors brachte das Paar wieder in die Wirklichkeit zurück. »Bestimmt sind Sie schon auf das Buch gespannt.«
    »Das Buch?«, wiederholte David. Seine Handflächen wurden feucht.
    Fresenius kratzte sich am Ellenbogen. »Ich sehe schon, am besten fange ich von vorn an: Im Sommer letzten Jahres besuchte mich ein gewisser Herr Koldermann. Er käme im Auftrag des amerikanischen Nachrichtenmagazins Time, ließ er mich wissen, und recherchiere über einen ominösen Geheimbund, der… Verflixt! Wie hieß er doch gleich?«
    »Kreis der Dämmerung«, half David aus. »Oder Circle of the Dawn – er hat viele Namen.«
    »Das griechische kirkos oder kyklos kann übrigens auch für ›Ring‹ stehen«, merkte Fresenius an.
    »Vor vielen Jahren hat mir das schon einmal jemand erzählt, ein Privatdozent für altenglische Sprache und Literatur aus Leeds. Er sprach damals von alten literarischen Quellen, in denen ein ›Herr des Ringzirkels‹ erwähnt wird.«
    »Das klingt merkwürdig, nicht wahr?«
    David stutzte. »Warum?«
    »Weil ›Ringzirkel‹ eigentlich doppelt gemoppelt ist. Das Wort Zirkel rührt ja auch vom Lateinischen circulus her, weshalb Zirkel und Ring eigentlich zweimal dasselbe meint.«
    David spürte, dass Dr. Fresenius auf etwas ganz Bestimmtes hinauswollte. »So habe ich das noch gar nicht gesehen.«
    Fresenius’ Zeigefinger schnellte in die Höhe. »Wenn ›Ring‹ allerdings für einen echten Ring steht – etwa für die Siegelringe, die schon im Altertum verwendet wurden –, dann könnte der von Ihnen erwähnte Titel so viel bedeuten wie ›Der Herr des Bundes der Ringträger‹…« Die leise Stimme des Bibliothekars verriet mehr, als dessen Worte gesagt hatten.
    »Was haben Sie herausgefunden?«, fragte David, der die Spannung kaum noch ertragen konnte.
    »Sind Sie im Laufe Ihrer Recherchen schon einmal auf eine ›Bruderschaft vom Ende des Sonnenkreises‹ gestoßen?«
    Davids Zunge war zu einem trockenen Stück Kork in seinem Mund geworden. Er brachte keine Antwort zustande, sondern schüttelte nur den Kopf.
    Fresenius deutete zum Tisch. »Dort liegt das Buch, in dem dieser Bund beschrieben wird.«
    David beugte sich zu dem Ledereinband hinab, der vor Rebekka lag. Als er jedoch den Titel las, glaubte er zunächst an einen Scherz.
     
    Lieder Buechlein
    Darin Begriffen sind Zwey hundert vnd sechtzig,
    Allerhandt schoener Weltlichen Lieder,
    Allen jungen Gesellen
    vnd zuechtigen Jungfrau, wen zum neuwen Jar
    in Druck verfertiget.
    Auffs neuw gemehret mit vil schoenen Liedern,
    die in den andern zuvor aussgegangenen Druecken,
    nicht gefunden werden.
     
    »Das soll uns weiterhelfen?«
    Der alte Bibliothekar schüttelte kichernd den Kopf. »Doch nicht dieses Buch. Das gehört zwar auch zur Bibliotheca Palatina, aber es hat mit unserer Geschichte nichts zu tun.« Er zog unter einem verschnürten Stapel Manuskripte ein Paar weißer Handschuhe hervor, steckte seine Hände hinein und legte das Büchlein behutsam zur Seite. Dann zog er eine andere, größere Mappe zur Tischkante hin. Ihr brauner Pappdeckel war auch mit einem Band gesichert. Während er sich an der Schleife zu schaffen machte, meinte er: »Ich rede von diesem Buch hier. Nun, eigentlich handelt es sich gar nicht um ein Buch im heute gebräuchlichen Sinn. Es ist ungefähr eintausendneunhundert Jahre älter als das Lieder Buechlein.«
    Geradezu liebevoll behutsam klappte er den großen Deckel zur Seite und gab damit den Blick auf einen Stapel braungelber Pergamentbogen frei.
    Einen Moment lang herrschte völlige

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