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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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rätselhafte Bemerkung über die Anrufung Belials eine andere Bedeutung haben, dann dürfte das Ganze weitaus schwieriger werden.«
    »Wenn Ihnen die Lösung dieses Rätsels so wichtig ist, können Sie sich ja an einen Altertumsforscher wenden. Warten Sie, da fällt mir gerade ein…«
    David hing an den geöffneten Lippen des kleinen Mannes. »Ja?«
    »Ein alter Kommilitone von mir, Walter Andrae ist sein Name, war maßgeblich an den Ausgrabungen in Babylon beteiligt. Er ist mir noch einen Gefallen schuldig.«
    »Lebt er auch in Heidelberg?«
    Der Bücherwurm kringelte sich schier vor Vergnügen. »Walter? Wo denken Sie hin, Herr Pratt! Der klebt an seinen Scherben wie ich an meinen Büchern und Manuskripten. Wenn Sie Walter Andrae sprechen möchten, dann müssen Sie sich schon nach Berlin bemühen. Er werkelt dort am neuen Pergamonmuseum herum, als müsse er es ganz allein aufbauen.«
    David und Rebekka wechselten einen Blick, der Bände sprach: Zwei Spuren – die Bibliotheca Palatina und Pacellis Besucher – hatten sie nach Deutschland geführt und nun gab es gleich zwei viel versprechende Gründe nach Berlin weiterzureisen: das Foto aus der Neuen Welt und die vielleicht unschätzbaren Kenntnisse eines renommierten Archäologen. Konnte das nur ein Zufall sein?
    Nervös befeuchtete sich David mit der Zunge die Lippen, bevor er fragte: »Dürfte ich mir Notizen zum Inhalt des Jason-Textes machen?«
    »Ich kann Ihnen eine wortgetreue Übersetzung mitgeben. Und wenn Sie wirklich nach Berlin wollen, dann setze ich Ihnen noch ein kurzes Schreiben für Walter Andrae auf. So werden Sie es leichter haben, ihn von seinem Gerümpel fortzulocken.«
    »Sie haben mir wirklich einen großen Dienst erwiesen, Herr Fresenius.«
    Der Gelehrte lächelte ein wenig spöttisch. »Wie gesagt, für Historiker gibt die Handschrift nicht viel her. Aber für euch Zeitungsleute ist derlei mystisches Zeug vermutlich genau das Richtige.«
    »Wie kommt es, dass Jasons Vermächtnis nicht im Vatikanischen Archiv liegt? Gehört es zu den Schriften, die von Paris aus hierher zurückgelangt sind?«
    »Karl Zangemeister hat mich darauf aufmerksam gemacht, mein Vorgänger. Unter seiner Ägide hat die Universitätsbibliothek ihr heutiges Gesicht bekommen. Karl fand die Handschrift zwar wegen ihres Alters interessant, aber über den Inhalt dachte er ähnlich, wie ich es Ihnen gerade beschrieben habe. Die Pergamente wurden entdeckt, als man Ende des siebzehnten Jahrhunderts die Heiliggeistkirche aufräumte. Im Jahre 1693 waren dort fast alle Grabplatten der Kurfürsten zerstört worden…«
    »Bis auf diejenige von Ruprecht II. – wir haben die Kirche gestern besichtigt«, sagte Rebekka.
    Fresenius nickte. »In einem der Gräber fand sich unter Knochen und Staub ein unscheinbares Bündel. Fast wäre es übersehen worden. Es enthielt diese Pergamentbogen. Als Tilly im Dreißigjährigen Krieg die Bibliotheca Palatina aus der Heiliggeistkirche fortschaffen ließ, wusste er natürlich nichts von dieser verborgenen Kostbarkeit. Deshalb ist sie auch nie nach Rom gekommen.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wie und weshalb diese Blätter erhalten geblieben sind?«, erkundigte sich David.
    »Bruchstückhaft ist es mir in den letzten zwanzig Jahren gelungen, den Überlieferungsweg zu rekonstruieren. Allerdings bin ich auch auf einige Vermutungen angewiesen. Wenn aber stimmt, was ich herausgefunden habe, dann könnte diese Handschrift eines Tages doch noch zu einer wissenschaftlichen Sensation werden.«
    David hob fragend die Augenbrauen.
    »Meine Theorie besagt, dass alle diese Handschriften dort«, Fresenius zeigte auf den Stapel, »aus der berühmten Bibliothek von Alexandria stammen. Jemand könnte sie sich heimlich ›ausgeliehen‹ haben, bevor Theodosius I. die unersetzbare Schriftensammlung verbrennen ließ. Ibn Ruschd behauptet nämlich, nicht alle Bücher seien dem Brand zum Opfer gefallen.«
    »Unfassbar!«, murmelte David. »Aus der alexandrinischen Bibliothek! Wer war dieser Ibn Ruschd? Etwa ein leitender Bibliothekar wie Sie?«
    Die Frage amüsierte Fresenius offensichtlich. Schmunzelnd erwiderte er: »Ein islamischer Philosoph und Wissenschaftler. Im christlichen Europa kennt man ihn eher unter dem Namen Averroes. Ibn Ruschd hat sich als Mittler zwischen den Kulturen der Antike und des Abendlands verdient gemacht. Er rettete so manches, was die christlichen Bücherverbrenner sonst für immer ausgelöscht hätten. In der zweiten Hälfte des zwölften

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