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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Stolz geschwellter Brust. Der hörte das nicht ungern, hatte er doch nun einen Mentor gefunden, der ihn in den braunen Kulturzirkel einführen konnte.
    Am Abend darauf setzte er sich an Willem Sassens Seite einer Stunde Johst aus. Es wurde aus dem fragwürdigen Luther-Drama Propheten rezitiert, David sträubten sich die Haare, aber er blieb äußerlich ruhig. Der Schriftsteller Hanns Johst hatte bis Kriegsende die Präsidentenämter der Reichsschrifttumskammer und der Deutschen Akademie der Dichtung in seiner Person vereinigt. Die dargebotenen Verse sprachen von der Hoffnung auf einen großen Retter aus der Not, jedem im Saal war klar, welcher »Führer« gemeint war.
    Als das letzte Wort des Machwerks und endlich auch der begeisterte Applaus des Publikums verklungen waren, konnte David nicht länger an sich halten, er raunte Sassen zu: »Wer alles auf eine Karte setzt, muss ziemlich sicher sein, nicht einen Pakt mit dem Teufel einzugehen.«
    Die Antwort des Zeitungsmannes verblüffte ihn. Sassen zitierte, nicht ohne Pathos, Goethes Faust.
     
    »Die Hölle selbst hat ihre Rechte?
    Das find ich gut, da ließe sich ein Pakt,
    Und sicher wohl mit euch, ihr Herren, schließen?«
     
    Davids Reaktion fiel schroff aus, »Nicht jeder, der ein Recht für sich reklamiert, hat auch ein Anrecht darauf.« Sassen war so von sich eingenommen, dass er die verräterische Äußerung seines neuen Kollegen völlig falsch deutete. »Du hast Angst, nach dem Tod des Führers könnte der Falsche ans Ruder kommen, nicht wahr?«
    Innerlich aufatmend erwiderte David: »So könnte man es ausdrücken.«
    »Keine Sorge, Kamerad, unsere Front ist dünn besetzt, aber tief gestaffelt. Komm, ich stelle dich einigen Herren vor, die deine Skepsis zerstreuen werden.«
    In den folgenden zwei Stunden schüttelte David mehr Nazihände als während seiner ganzen Berliner Zeit – jedenfalls kam es ihm so vor. Er lernte sowohl den schon von Soucek gepriesenen Flieger Hans-Ulrich Rudel kennen als auch zahlreiche andere Angehörige der Waffen-SS. Das Wort »ehemalig« hier zu verwenden wäre unangebracht, weil die kulturbeflissenen Kameraden sich mehr oder weniger noch im Kampfeinsatz sahen (man habe sich zwar »eingegraben, aber der nächste Sturm komme bestimmt«).
    Dem Gespräch mit Rudel widmete David besondere Aufmerksamkeit, weil der Nazi unter dem Einfluss mehrerer Humpen Bier gerade besonders tief flog. Es dauerte nicht lange und Hans-Ulrich rutschte ein Name heraus, der David aufhorchen ließ.
    »Die Tapfersten unter uns«, sagte er in vertraulichem Ton, »stehen nie allein. Es gibt immer Mutige, mein lieber Veit, die ihnen beistehen.«
    »Zum Beispiel?«, fragte David gelangweilt, während er aus einer Serviette einen Phönix faltete.
    »Gerhard ist so einer«, lallte Hans-Ulrich. »Mit dem kann man Pferde stehlen!«
    »Du meinst Hans Gerhard in Mercedes?«
    »I wo! Ich rede von Wolfgang Gerhard aus Sao Paulo.«
    »Ach so, der.« David grinste zufrieden und ließ seinen Phönix auf dem Bierglas des Lufthelden landen.
    Dringende Familienangelegenheit. Die Ausrede war nicht besonders originell, aber sie erfüllte ihren Zweck. Außerdem betrachtete David seinen Widersacher Papen nach wie vor als einen der Hauptschuldigen am Tode Rebekkas und damit war der Flug nach Brasilien eine Familienangelegenheit. Wenn Wolfgang Gerhard wirklich ein Heim für entlaufene Nazihunde unterhielt, dann mochte Franz von Papen dort vielleicht ebenfalls untergeschlüpft sein. Der Chefredakteur des Wegs bedauerte zutiefst, seinen kulturell gebildeten Mitarbeiter schon so schnell wieder ziehen lassen zu müssen, aber David versprach, bei passender Gelegenheit zurückzukommen.
    Sao Paulo kostete ihn annähernd zwei Wochen. Nachdem David vergeblich versucht hatte Wolfgang Gerhards Misstrauen zu überwinden und ihn auszuhorchen, verlegte er sich aufs Beobachten seiner Farm. Tagelang lag er unter fleischigen Blättern, gepeinigt von stechwütigen Moskitos, und observierte die verschiedenen Zugänge des Anwesens. Im Dschungel herrschte ein erstaunlich reger Publikumsverkehr. Zwar glich keiner von Gerhards zahlreichen »Gästen« auch nur im Entferntesten Franz von Papen oder Adolf Eichmann, aber seine Beharrlichkeit wurde dennoch belohnt. Ende Mai verfolgte er einen wohl beleibten, plattfüßigen Glatzkopf bis in ein Hotel in Sao Paulo und belauschte ihn an der Bar im Gespräch mit einem Unbekannten.
    David mimte den Angetrunkenen und spitzte die Ohren. Die sich leise

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