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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sehen, hatte er einen harten Blick aufgesetzt. »Und sollte ich mich dennoch irren, werden Sie nie wieder aus dem Dschungel zurückkehren.«
    Die einmotorige Piper machte einen solchen Lärm, dass an eine Unterhaltung nicht zu denken war. Also saß David einfach nur stumm hinter Barrios, der das Flugzeug eigenhändig steuerte, und ließ den Regenwald unter sich dahinziehen.
    Sie überquerten mehrere Flüsse und einen in der späten Vormittagssonne glitzernden See. Dann zogen unvermittelt graue Wolken auf Hier und da lagen Nebelschwaden wie riesige Wattekissen auf dem üppig wuchernden Blätterdach des Dschungels. Die Reise dauerte nun schon fast drei Stunden, als plötzlich ein fremdes Flugzeug aus der Tiefe aufsteigend ihren Kurs kreuzte. Barrios blieb ganz ruhig, riss auch nicht am Steuerknüppel, David hingegen blickte unwillkürlich in die Richtung, aus der die andere Maschine gekommen war. Durchaus denkbar, dass hier noch mehr Störenfriede durch die Luft schwirrten. Doch anstatt neuer Überraschungen gab es, weit unter ihnen, einen atemberaubenden Anblick: eine gewaltige Stufenpyramide. David konnte nicht anders, er musste Barrios auf die Schulter klopfen, und als dieser sich umwandte, deutete er nach unten.
    »Der Tempel des Großen Jaguars«, brüllte der Guatemalteke und grinste. »Aber schauen Sie mal da, auf elf Uhr«, fügte er hinzu und deutete nach links.
    David wandte den Kopf zur anderen Seite und erblickte einen weiteren Tempel, der fast doppelt so groß wie der erste sein musste. Er hatte schon von der hoch entwickelten Mayakultur gelesen, aber jetzt, wo er ihre Bauwerke mit eigenen Augen sah, war er geradezu überwältigt. Vor ihm erstreckte sich ein weites Ruinenfeld mit unzähligen Pyramiden, Stelen und Palästen. Der wuchernde Dschungel machte es unmöglich, die genaue Ausdehnung der darin versunkenen Siedlung abzuschätzen, aber es mussten auf jeden Fall mehrere Quadratkilometer gewesen sein. Nach allem, was er über die alten Kulturen Zentralamerikas wusste, konnte es sich hier nur um einen Ort handeln: Tikal, die größte Metropole im Süden des einstigen Mayareiches.
    Die Piper kippte über die Steuerbordtragfläche ab. Für kurze Zeit glaubte David, der Vogel werde sich in den Baumkronen verfangen, aber schnell tauchte vor ihnen eine kleine Landebahn auf Barrios brachte die Maschine sicher auf die Erde zurück.
    »Meine Piper ist zwar so ziemlich das langsamste Flugzeug, das es gibt«, sagte er nach dem Auslaufen des Propellers, »aber dafür kann ich sie auf jedem Badetuch landen.«
    »Alle Achtung!«, erwiderte David anerkennend und stieg aus. Mit einem Taschentuch wischte er sich den Schweiß ab. Gerade wollte er fragen, wie es nun weitergehe, als er neuen Lärm vernahm. Ein Jeep raste geradewegs auf sie zu, als gelte es, ein Rennen zu gewinnen. Kurz vor Davids Füßen kam der tarnfarbengrüne Geländewagen zum Stehen. Ein höchstens zwanzigjähriger Fahrer im Kampfanzug, dem Aussehen nach ein Indio, sprang heraus und salutierte vor Barrios. Der erwiderte den militärischen Gruß, gab gestenreich einige kurze Anweisungen das Flugzeug betreffend und lud David zum Besteigen des Dschungelrenners ein.
    Nur wenig langsamer als bei der Herfahrt raste der Fahrer mit seinen Passagieren wieder davon, genau auf eine Nebelwand zu. Der Jeep tauchte in den Brodem des Urwalds ein. Erst jagten Nebelfetzen, dann tiefgrüne Blätter vorüber. Ein schwülwarmer Geruch nach feuchten Pflanzen stieg David in die Nase. Nur ein Ortskundiger konnte den bisweilen kaum erkennbaren Wegen in einem dermaßen halsbrecherischen Tempo folgen. Der Geländewagen meisterte bravourös einige Bodenwellen und Löcher. Am meisten litten die Mitfahrer, fehlte ihnen doch das Lenkrad zum Festhalten.
    Immer mehr Gebäude huschten vorbei, wie flüchtige Erscheinungen einer längst versunkenen Zeit. Und mit einem Mal tauchte der Tempel des Großen Jaguars vor ihnen auf. Die hohen Dachkämme der Pyramiden überragten sogar die Bäume des Regenwaldes. David hatte sie schon vom Flugzeug aus gesehen. Jetzt aber, aus der Ameisenperspektive, wirkte der Tempel noch beeindruckender.
    Das Fahrzeug raste über Tikals Hauptplatz dahin, wie Barrios hilfreich anmerkte, und hielt zielstrebig auf die größte der Pyramiden zu. Sie wuchs im Osten des Stadtkerns weit über die Baumkronen empor.
    Erst als der Jeep um die große Stufenpyramide herumfuhr, entdeckte David das eigentliche Ziel ihrer halsbrecherischen Fahrt. Auf einer Lichtung erhob sich

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