Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
torpedieren wollen«. Er fühle sich manchmal schwach und kaum fähig, das eigene Leben in den Griff zu bekommen, gab er freiheraus zu.
    Eleanor lächelte wissend – vielleicht ging es ihr manchmal ähnlich. Dann nannte die sechsfache Mutter ihm ein altes Hausrezept, das sich bei heftigen Schüben von Selbstzweifeln hervorragend bewährt habe: »Sie müssen die Dinge tun, von denen Sie denken, sie tun zu können.«
    Diese schlichte Weisheit sollte David nachhaltig verändern. Die ersten Früchte zeigten sich bereits unmittelbar im Anschluss an die Kommissionssitzung, als er kurzerhand nach Indien aufbrach. Womöglich hatte die ehemalige First Lady der Vereinigten Staaten Recht und er war viel zu lange einem Gespenst hinterhergejagt, in dem Glauben, den Lauf der Welt ändern zu müssen. Er hatte Hitlers Amoklauf vielleicht nur be-, aber nicht verhindern können. Jetzt musste er sich wieder auf sein eigentliches Ziel konzentrieren: die Kette des Kreises der Dämmerung zu zersprengen.
     
    »Du hast mir von der alten Handschrift erzählt, Sahib.«
    David schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte benommen in Balus Gesicht, Der alte Dickkopf hatte es sich nicht ausreden lassen, Amritsar einen Besuch abzustatten, natürlich rein interessehalber, Balu konnte es sich leisten, als Tourist durchs Land zu reisen. Er besaß in Delhis Stadtteil Chandi Chowk mehrere florierende Geschäfte, »die in einem Vierteljahrhundert aus dem großzügigen Abschiedsgeschenk des Sahib zu ansehnlichem Wuchs erblüht sind«. Am Morgen hatte er sich sogar erdreistet, seinem »zurzeit nicht gerade flüssigen Sahib« die Fahrkarte nach Amritsar zu spendieren.
    »Ich weiß im Moment nicht, wovon du sprichst«, antwortete David auf den Einwurf seines Freundes hin.
    »Du hast es, soweit ich mich erinnere, Jasons Geschichte genannt.«
    »Ach so, die meinst du. Was ist damit?«
    »Glaubst du, dass wir von dem Gesuchten, Belials Logenbruder, etwas über das Geheimnis der ›Tränen‹ erfahren?«
    »Ich weiß es nicht, Balu. Vielleicht besitzt ja jedes Mitglied des Zirkels eine solche Glaskugel. Sollte es mir gelingen, die hiesige Dependance von Belials Organisation auszuheben, werde ich mich natürlich gründlich nach dem begehrten Stück und einer dazugehörigen Bedienungsanleitung umsehen.«
    »Und wenn du nichts findest?«
    »Warum bist du plötzlich so versessen darauf, das Geheimnis dieser Glaskugeln zu ergründen?«
    »Weil ich glaube, dass du darauf erpicht bist, Sahib.«
    David verzog den Mund zu einem verunglückten Lächeln. »Es hat doch bestimmt einen Grund, weshalb du ausgerechnet jetzt danach fragst.«
    »Natürlich gibt es den. Im letzten Jahr habe ich in der Zeitung von einem wichtigen Fund der Altertumsforscher gelesen. In Jordanien, genauer gesagt in den Höhlen von Qumran, hat ein Beduine sehr alte Schriftrollen entdeckt.«
    David nickte. »Ich erinnere mich. Man hat hunderte Leder- oder Papyrusschriftrollen gefunden. Offenbar sind zahlreiche alte Bibelmanuskripte darunter, aber auch andere archäologisch wertvolle Dokumente…« Er stockte. »Denkst du etwa…?«
    Balu schmunzelte. »Was so lange verborgen lag, mag ungeahnte Geheimnisse bergen.«
    Nachdenklich kraulte sich David den sauber gestutzten Vollbart. Vielleicht sogar ein Rezept zur Zerstörung des Fürs tenrings. »Möglich wär’s. Nach Expertenmeinung könnten einige der Qumran-Rollen lange vor Christi Geburt entstanden sein.«
    »Und bei vielen Juden steht Alexander der Große seit jeher in hohem Ansehen. Vielleicht entdeckst du ja in ihren Schriften etwas über deinen Jason oder seinen Geheimbund.«
    David nickte. »Ich kenne da einen jungen Mann, einen Juden. Als ich ihm und seiner Mutter zum ersten Mal auf einem Konzert in einer Berliner Synagoge begegnet bin, war er höchstens zehn. Aber kürzlich habe ich ihn in Nürnberg wieder getroffen. Er hat mich während eines Kriegsverbrecherprozesses in einer Verhandlungspause angesprochen.«
    »Manchmal geht das Leben seltsame Wege, Sahib. Mir ist allerdings nicht klar, wie ein deutscher Jude…«
    »Entschuldige, das habe ich nicht erwähnt: Hermann Zvi Aronheim – inzwischen nennt er sich Aharoni, weil ihm sein alter Familienname nicht hebräisch genug war – lebt jetzt in Palästina, vorausgesetzt, es hat ihn noch kein arabischer Heckenschütze erwischt. Er konnte sich mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder zwei Monate vor der Reichspogromnacht dorthin retten und hat so die Shoah überlebt. Soweit ich

Weitere Kostenlose Bücher