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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»Für meine Kuriositätensammlung«, lautete seine Erklärung, gefolgt von schallendem Gelächter.
     
     
    Als David später an Balus Seite im Zug saß, den Blick auf die dunklen Wolken am Himmel gerichtet, musste er noch lange über diese glückliche Begegnung nachdenken. Zwischen seinen Fingern drehte er die leuchtende Karneolperle. Es war schon sonderbar, wie oft ihm Menschen ohne Eigennutz halfen. Vor zwei Tagen kannte er Yar noch nicht und nun…
    David stutzte. Sein Daumen spürte etwas, das eben noch nicht da gewesen war. Verwundert blickte er auf die Röhrenperle in seiner Hand. Starr wie eine Holzpuppe saß er auf seiner Bank.
    Balu war die Veränderung an seinem Freund sofort aufgefallen. »Was ist, Sahib?«
    David zeigte dem Alten das Schmuckstück, das beinahe so dick wie sein kleiner Finger, aber ungefähr doppelt so lang war. Um die Perle vor den neugierigen Blicken der anderen Reisenden zu schützen, hielt er sie in der hohlen Linken. Mit Zeigefinger und Daumen der anderen Hand förderte er ein dünnes Papierröllchen zutage, das ein wenig aus dem Einfädelloch der Perle herausgestanden hatte. Er entrollte die Botschaft, die, wie sich schnell herausstellte, von Yar Muhammad Ali stammte, und las.
     
     
    Hoch geschätzter Freund!
    Die Röhrenperle, die ich dir gab, mag dir, verglichen mit anderen, unvollkommen erscheinen, aber das ist sie nicht. Dieser Karneolstein wurde vor mehr als viertausend Jahren gebrannt und – niemand weiß heute mehr wie – der Länge nach durchbohrt. Das seltene Stück stammt aus Mohendscho Daro, dem »Hügel der Toten«. Die Perlen aus dieser Stadt waren in alter Zeit sogar in Mesopotamien geschätzt. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ben Nedal besessen von solchen Kostbarkeiten ist. Er zählt für sie fast jeden Preis. Das Artefakt mag dir als Schlüssel zu Ben Nedals Palast dienen. Aber sei vorsichtig! Er würde selbst vor einem Mord nicht zurückschrecken, um eine derart wertvolle Perle sein Eigen nennen zu können. Möge Allah deine Pfade gerade machen.
     
    Yar Muhammad Ali
     
    Schweigend, ja, regelrecht benommen reichte David das Zettelchen seinem Freund. Balu schien die winzigen Buchstaben mit der Nase zu lesen – seine Augen waren nicht mehr die besten.
    Nachdem auch er Yars Mitteilung studiert hatte, grinste er über das ganze Gesicht und sagte einen einzigen Satz. »Ein ausgesprochen viel versprechendes Geschenk, Sahib.«
     
     
    Die fast siebenhundert Meilen weite Zugreise von Lahore nach Karachi war nervenaufreibend und kräftezehrend. Als David und Balu lange nach Sonnenuntergang in der größten pakistanischen Stadt eintrafen, wären sie am liebsten in ein Taxi gestiegen und hätten sich in eines der großen Hotels unweit des Bahnhofs chauffieren lassen. Aber die Erinnerung an Amritsar und die ernsten Warnungen Yar Muhammad Alis waren noch frisch. Also mobilisierten sie ihre letzten Reserven, kletterten in ein Eselstaxi und ließen sich nach Khadda karren, einem Stadtteil am Fischereihafen, nördlich der Bandar Road.
    Das verwinkelte Viertel von Khadda war ein ideales Versteck. Fast mittelalterlich muteten die Häuser, Straßen und Gassen an. Hier, im alten Teil Karachis, wohnten die Großhändler, eine eigene Spezies, die vorzugsweise scheu und zurückgezogen lebte. Yar hatte ihnen am Abend zuvor eine Unterkunft empfohlen, in der er selbst bisweilen abstieg.
    Nur am Namen war das Hotel Quaida-Azam als solches zu erkennen. Zwei Stockwerke flach kauerte es zwischen einem doppelt so hohen kolonialen Backsteinbau, in dem sich ein Tuchlager befand, und einem heruntergekommenen Wohnhaus, vor dem Männer mit Kopftüchern standen und lebhaft debattierten. Die fast zur Gänze abgeblätterte Fassade der Herberge war früher einmal rotbraun gewesen und die Entzifferung ihres verblichenen Namens hätte für jeden ehrgeizigen Archäologen eine Herausforderung bedeutet.
    Wie es Yar gesagt hatte, besaß der Wirt des Quaida-Azam eine »Abneigung gegen Formulare jeglicher Art«, was den beiden Gästen nur recht sein konnte. Balu bestand darauf, eine Anzahlung für drei Nächte zu leisten, und der Wirt entließ sie mit blumigen Segenswünschen in die Nachtruhe.
    Die Betten quietschten und hingen durch wie Hängematten, aber das Zimmer war überraschend sauber und besaß sogar einen Tisch, an dem man Pläne machen konnte. Dies taten David und Balu dann auch, nachdem sie bis weit nach Sonnenaufgang geschlafen hatten, obwohl auch an diesem Ort ein Muezzin sich redlich mühte,

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