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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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war der Mittelsmann verschwunden. Der Bentley nahm wieder Fahrt auf und ließ das Zentrum Karachis schnell hinter sich. Bald bog die schwere Limousine nach links auf eine gepflasterte Seitenstraße. Immer weniger Häuser säumten den Weg, bis David zuletzt fast nur noch Mangroven sah. Hin und wieder konnte er durch das dichte Grün einen Blick auf die bewegte See erhaschen. Auf dem Meer tobte ein Sturm. David suchte das Wasser nach Schiffen ab, aber er konnte kein einziges entdecken.
    Am Tag zuvor hatte er sich bereits an die Erkundung der Halbinsel gemacht. Ein unverschämt dickes Bündel pakistanischer Rupien war erforderlich gewesen, um einen der Fischer zu einer kleinen Rundfahrt hinaus auf das Meer zu locken. Dank Chaudhuri und Fatima – Ersterer war der Kapitän, Letztere sein mit einem Außenbordmotor gesegnetes Boot – konnte sich David einen guten Überblick verschaffen. Der hagere Seemann zeigte dem vermeintlichen Touristen einen spärlich besiedelten und von Wellen gepeitschten Küstenstrich, über dem Ben Nedals Strandpalast thronte. Der Name Sturmpalast hätte besser zu dem aus wuchtigen Sandsteinquadern errichteten Komplex gepasst. Mit seinem trutzigen quadratischen Turm beherrschte er die kleine Bucht am Rande eines Mangrovenwaldes. Die Bastion eines Piratenadmirals.
    Mittlerweile hatte der Bentley ein großes Tor erreicht und blieb stehen. David betrachtete nachdenklich das Gitter. Es schien aus zusammengeschmiedeten Lanzen zu bestehen und war eingepasst in eine hohe Steinmauer, die sich nach beiden Seiten hin im Dickicht der Insel verlor. Die Zufahrt zu Ben Nedals Domizil war streng bewacht. Ein uniformierter Posten mit Schnellfeuergewehr begrüßte den Chauffeur, wechselte mit ihm ein paar für David unverständliche Worte und ließ die Augen durch das Wageninnere schweifen. Weitere Bewaffnete standen vor einem grünen Holzhäuschen und unterhielten sich. In ihren Gürteln steckten schwere Rundmessen Kukris. David kannte diesen kleinen braunhäutigen Menschenschlag. Es waren nepalesische Gurkha.
    Die Limousine rollte nun über einen kiesbestreuten Weg. Bald tauchte zwischen den Bäumen die unverwechselbare Silhouette des trutzigen Turmes auf, den David bereits am Tag zuvor vom Meer aus gesehen hatte. Spätestens jetzt stand fest, wer Legharis Kunde war. Ob Ben Nedal allerdings auch zu Belials Bruderschaft gehörte, musste sich erst noch zeigen.
    Der Bentley hatte den imposanten Gebäudekomplex erreicht, verlangsamte auf einem runden Platz sein Tempo und kam schließlich vor einer flachen, breiten Treppe zum Stehen. Sofort eilte ein Page mit weißem Turban und grün schimmernder Livree aus dem Strandpalast – er musste zu diesem und keinem anderen Zweck dort gewartet haben. Am Wagen angekommen, riss der wohl kaum Dreißigjährige die Tür auf.
    »Herzlich willkommen, Mr Gladius, mein Herr erwartet Sie bereits.«
    David bedankte sich und folgte dem Livrierten in das Gebäude. Zu seiner Verwunderung wurde er am Ende der geräumigen Eingangshalle nicht etwa in einen repräsentativen Salon geführt, sondern geradewegs auf eine breite Treppe zu. Nun ging es stetig nach oben. Rings an den Wänden hingen Elefantenstoßzähne, Tigerfelle und Nashornköpfe. Der Hausherr musste ein begeisterter Jäger sein. Nach zwei Etagen mündete der weite Aufgang in eine verhältnismäßig enge und schmucklose Wendeltreppe. Weshalb man den Turm als Ort des Treffens gewählt hatte, war nicht schwer zu durchschauen. Eine Flucht schien so gut wie unmöglich, ein Sprung in die Tiefe musste tödlich enden. Das tosende Meer würde den Tollkühnen unweigerlich gegen das Mauerwerk schleudern. Ben Nedal hatte sich das fein ausgedacht. Alle Trümpfe lagen in seiner Hand.
    David konnte kein Ende der Wendeltreppe ausmachen. Was würde ihn dort oben erwarten? Sein Plan zielte zunächst darauf ab, Ben Nedal zu entlarven. Wenn er derjenige war, für den David ihn hielt, dann sollte er tief fallen: Ohne Macht und Ansehen, möglichst in einem Kerker auf die gerechte Strafe harrend, würde er für Belial von keinem Nutzen mehr sein. Natürlich ging es David auch um den Siegelring und, wenn sich eine solche denn finden ließ, um eine jener Glaskugeln, deren Geheimnis er noch immer nicht vollständig ergründet hatte. Vielleicht fielen zudem ein paar nützliche Dokumente ab, die einen besseren Einblick in die Strukturen des Geheimbundes zuließen. David hatte sich also nicht wenig vorgenommen.
    Einen Schwachpunkt gab es noch: Er wusste

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