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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nicht, auf welche Weise er seinen Gegner nun demaskieren sollte. Möglicherweise würde ihn Ben Nedal erkennen und sofort in die Offensive gehen. Davids bisherige Erfahrungen mit den Logenbrüdern Belials verhießen für eine solche Situation nichts Gutes.
    Schließlich endete die Treppe. Scheinbar unbeeindruckt von den Mühen des Aufstiegs klopfte der Lakai gegen eine stabile Holztür. Nur wenige Augenblicke später wurde sie geöffnet und ein anderer Turbanträger streckte seinen Kopf heraus. David vermutete in ihm einen Leibwächter. Der Mann war vielleicht zehn Jahre älter als der Page, im Gegensatz zu diesem breit wie ein Kleiderschrank und ungewöhnlich groß. Seine dunklen Augen hatten den Besucher sofort erfasst und musterten ihn wie eine Bombe, die es zu entschärfen galt.
    Einige wenige unverständliche Bemerkungen wurden ausgetauscht, dann zog der Leibwächter wie eine Schildkröte den Kopf zurück und schloss die Tür.
    Der Lakai deutete eine Verbeugung an und erklärte: »Mein Herr wird Sie gleich empfangen, Sahib. Bitte warten Sie hier« Sodann verschwand er mit schnellen Schritten in den Tiefen des Turms.
    Davids Gelassenheit war rein äußerlich. Spätestens seit dem Passieren des schmiedeeisernen Tores waren alle seine Sinne geschärft. Hatte er alles sorgfältig genug bedacht? Hätte er nicht wenigstens seine weißen Haare umfärben sollen? Nein, machte er sich zum wiederholten Mal klar. Er war kein junger Mann mehr. Mit beinahe fünfzig Jahren durfte man so aussehen. Und die Hautfarbe? Wenigstens die hätte er doch verändern können. Um dann mit einer grünen Nase vor Ben Nedal zu stehen? Besser nicht, die meisten seiner Selbstversuche auf dem Gebiet der Farbgebung hatten bisher in grotesken Maskeraden geendet.
    Mitten in diese Überlegungen hinein platzte der Leibwächter. Die Tür öffnete sich schwungvoll und der Turbanträger präsentierte sich in seiner ganzen beeindruckenden Größe.
    »Wenn Sie bitte eintreten würden, Sahib. Mein Herr wird Sie gleich empfangen.«
    David dankte dem Hünen und folgte der Einladung. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie geräumig der Turm wirklich war. Er betrat ein Arbeitszimmer, das andernorts einer ganzen Familie Platz zum Wohnen geboten hätte. Das rechteckige Gemach mochte fünfundzwanzig Fuß breit und etwas mehr als halb so tief sein. Auf dem Boden lagen kostbare Teppiche und an den Wänden hingen Gemälde von nicht zu unterschätzendem Wert. Die Tür in Davids Rücken schloss sich und er befand sich allein in Ben Nedals Drachennest.
    Dieser Vergleich gefiel ihm. Nach Westen hin konnte man durch eine offen stehende Tür und drei Rundbogenfenster das schäumende Meer sehen. Dunkle Wolken rasten über den Himmel und in der Ferne zuckte ein Blitz auf die graue See hinab. Kaum mehr als einen Schritt hinter der Tür befand sich eine relativ niedrige steinerne Brüstung. Der Blick von dem schmalen Balkon musste atemberaubend sein. Dicht bei der Fensterwand stand ein massiver, aber so gut wie leerer Schreibtisch aus Mahagoni – der durch das Zimmer streichende Wind hätte lose herumliegende Papiere unweigerlich weggewirbelt.
    »Ein faszinierender Ausblick, nicht wahr?«
    David nahm die Frage, die von irgendwo hinter seiner linken Schulter herkam, ohne erkennbare Reaktion hin. Er hatte seit einigen Augenblicken gespürt, dass er nicht mehr allein im Zimmer war. Innerlich wappnete er sich für das Kommende, erst dann drehte er sich langsam um.
    Beiderseits des Ausgangs – hinter dem zweifellos der Riese auf neue Befehle seines Herrn wartete – befanden sich zwei weitere Türen. Die rechte stand offen. Im Türrahmen lehnte ein Mann, ein Mittvierziger vom Aussehen her. Doch wie bei allen Mitgliedern des Kreises der Dämmerung musste er die Hundert längst überschritten haben.
    Für einen langen Augenblick taxierten sich die beiden Männer. Ben Nedals Hände waren hinter dem Rücken versteckt. Er hatte einen dunklen Vollbart, in dem nur einzelne graue Fäden schimmerten. Auch das Haupthaar war noch fast makellos schwarz. Eine lange schmale Nase dominierte das pockennarbige Gesicht. Den Mund mit den dünnen Lippen umspielte ein spöttischer Zug. Fast sechs Fuß groß und schlank war er eine durchaus imposante Erscheinung. Aber mehr als sein Äußeres beeindruckte David das gefährliche Funkeln in Ben Nedals tiefbraunen Augen.
    Er hat mich erkannt. Anders als bei früheren Gelegenheiten war er sich in diesem Moment ganz sicher. Selbst wenn der endgültige Beweis

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