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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ungewöhnlich blass. Möglicherweise stammte der Fremde aus der benachbarten Mandschurei und besaß russische Vorfahren, in dieser Gegend keine Seltenheit. Der Ringer wollte den Greis, der ihm da so unverschämt auf die Pelle gerückt war, wie ein lästiges Insekt abschütteln, doch ehe er sich’s versah, klemmte sein Handgelenk im zangenartigen Griff des großen Bauern.
    Der langte mit der Linken nach der goldenen Kette auf seiner Brust und drückte mit einem Mal etwas Hartes auf den Handrücken des Ringers, so fest, dass es schmerzte. Der Leibwächter wagte sich nicht zu wehren und nun sagte der Bauer auch noch bedrohlich: »Das hier soll uns als Passierschein dienen und die Zweifel deines Herrn zerstreuen. Und jetzt lauf schnell und zeig ihm den Abdruck, ehe er wieder verschwindet.«
    Eine aberwitzige Situation war das für den Ringer: Da erlaubte sich ein Bauer zu nachtschlafender Zeit Frechheiten mit ihm und er hatte nicht einmal Gelegenheit, diesem Kamuffel Manieren beizubringen. Zudem jagte der verblassende Abdruck des Siegelrings dem Leibwächter eine Heidenangst ein, er sah ihn ja nicht zum ersten Mal. Fluchend entfernte er sich in das dunkle Haus.
    David machte seinen Begleitern mit einem Lächeln Mut. Er hatte seine Augen mit den Zeigefingern zu zwei schmalen Schlitzen verzogen und dann kraft der Verzögerung in der Stellung gehalten, eine grobe, aber wirkungsvolle Maskerade, die sich nun jedoch verflüchtigte. Phillihi fand das ausgesprochen lustig und Kaeddong unheimlich.
    »Du hättest mir ruhig schon früher von deinen merkwürdigen Begabungen erzählen können«, beschwerte er sich. »Wer bist du wirklich?«
    »Du sagst es mindestens hundertmal am Tag: dein älterer Freund.«
    Kaeddong schüttelte den Kopf. »Es muss schlimm sein, dich zum Feind zu haben.«
    Ein Rumpeln aus dem Inneren des Hauses kündigte die Rückkehr des Leibwächters an. »Der ehrenwerte An ist jetzt bereit, euch zu empfangen«, sagte er nun respektvoll.
    »Danke«, erwiderte Kaeddong (Davids auswendig gelernte koreanische Sprüchlein waren erschöpft) und fügte besorgt hinzu: »Mit dem Tor bei der Straße scheint übrigens irgendetwas nicht zu stimmen. Wie du siehst, hat es uns keinen Widerstand geleistet. Du solltest besser nachsehen und es reparieren.«
    Der tumbe Leibwächter tat sich schwer mit dem Gesagten. Er grunzte etwas Unverständliches und schickte sich an, in den Garten hinabzustapfen. Als er David passierte, nahm dieser ihm die Petroleumlampe aus der Hand. »Du kennst dich hier auch im Dunkeln aus, wir nicht.«
    Der Leibwächter wollte schon protestieren, aber da entsann er sich der Worte seines Herrn. Nach dem Anblick des Siegelabdrucks hatte dieser streng die zuvorkommende Behandlung der Gäste angemahnt. Grollend stieg der Muskelprotz die Treppe hinab. Als er drei oder vier Schritte gegangen war, wurde es schwarz um ihn.
    Kaum im Haus schlug David die Eingangstür zu und verriegelte sie von innen. Draußen brüllte der Ringer wie ein angeschossenes Tier.
    »Was hast du mit ihm gemacht?«, erkundigte sich Kaeddong misstrauisch.
    »Ihn mit Blindheit geschlagen.«
    »Sag, dass das nicht stimmt!«
    »Es ist nur vorübergehend. In ein paar Tagen kann er wieder fette Kontrahenten durch die Luft wirbeln. Und jetzt lasst uns endlich nach Chung-gun suchen. Ich finde es ungewöhnlich, dass er uns nicht entgegenkommt, wo er doch Belials Siegel erkannt haben muss.«
    David hatte seine Gedanken kaum ausgesprochen, als vom Ende des Flures eine Stimme erscholl. »Kommen Sie hier herein. Ich erwarte Sie.«
    Phillihi drückte zweimal schnell hintereinander Davids Hand und kurz darauf erneut.
    »Ich habe dich verstanden, Prinzessin. Bleib dicht hinter uns, damit er dich nicht gleich erkennt«, flüsterte er und löste sich aus dem Griff des Mädchens. Er steckte die Öllampe in eine Halterung an der Wand und zog sich wieder die Augen in eine, wie er meinte, asiatische Form.
    Langsam ging das Trio den Flur entlang. Ein heller Türausschnitt an dessen Ende wies ihnen den Weg. In dem großen Holzhaus schien es keine weiteren Bediensteten zu geben. Es war völlig still. Nur von draußen drang hin und wieder dumpf das Jammern des im Dunkeln umhertappenden Leibwächters herein. Seite an Seite mit Kaeddong betrat David das Wohnzimmer.
    Der Raum mochte acht Meter lang und sechs breit sein. Er wurde eher dürftig von zwei weiteren Petroleumlampen erleuchtet. Links befand sich ein Kamin. Auf den wuchtigen, aber spiegelblank polierten

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