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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dem Felsen. Zögernd ging Mia auf die Gräber zu. Wer lag hier bestattet? An Großvaters Lieblingsplatz? Zu ihrer Rechten brandete tief unten der Atlantik gegen die Klippen von Cornwall.
    Die beiden Grabplatten bestanden aus grob zugehauenen Steinen der Umgebung, deren ursprüngliche Schönheit beeindruckte. Offenbar standen sie noch nicht lange hier. Auch die eingravierten goldenen Buchstaben hatten nichts von ihrem Glanz verloren. Auf einer der Platten lagen drei kleine Steine. Mia blieb vor den eng aneinander geschmiegten Gräbern stehen. Die aufgeworfene Erde war kaum eingesunken.
    Mias Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Unterlippe bebte. Dann wollten sie die Beine nicht mehr tragen und sie sank auf die Knie, unablässig den Kopf schüttelnd. »Nein«, hauchte sie. War das ein böser Scherz? »Das kann doch nicht sein.«
    Die Buchstaben auf den Grabsteinen verschwammen hinter einem feuchten Schleier der Trauer. Und des Glücks.
     
    Rebekka Pratt
    Countess of Camden
    Geboren 21.3.1905
    Gestorben 1. November 1999
     
    Jede Sekunde mit dir war mehr wert
    als alle Juwelen der Welt.
     
    Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. »Ja«, sagte sie und nickte. »Ja, so ist es richtig. So muss es sein.«
     
    David Pratt Earl of Camden
    Geboren 1.1.1900
    Gestorben 31. Dezember 1999
     
    Alles ist relativ.
     
    »Alles ist relativ?«
    Davys Stimme brachte Mia in die Wirklichkeit zurück. Sie nahm einen nur zu vertrauten Geruch wahr. Und dann ein Quieken, Mit immer noch tränenfeuchtem, aber glücklichem Gesicht drehte sie sich zu ihrem Ehemann und dem strampelnden Zwerg auf dessen Arm um und ließ sich von dem kräftigeren der beiden wieder auf die Füße helfen.
    »Das hat Albert Einstein zu Großpapa gesagt: einmal in der Berliner Neuen Synagoge und später in Princeton. Der Stöpsel stinkt ja noch immer wie eine Kläranlage.«
    Davy lächelte schief. »Manchmal muss man Prioritäten setzen. Hältst du das wirklich für möglich?« Er wies mit dem Kinn auf die Gräber.
    »Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, ich wollte, es wäre so.«
    »Im Haus gibt es Fotos, die offenbar während der letzten fünfzig Jahre aufgenommen wurden. Sie zeigen David und Rebekka in verschiedenen Lebensabschnitten. Auf jedem wirken sie glücklich und zufrieden.«
    »Großpapa hat mir kurz nach unserer Hochzeit von einem ›irrwitzigen Gedanken‹ erzählt – genau so hat er sich ausgedrückt. Albert Einstein muss ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt haben. Er hat sich mit dem Genie einmal über die Möglichkeit von Zeitreisen unterhalten.«
    Unvermittelt sagte eine Stimme hinter dem Rücken der beiden: »Das Jahrhundertgenie soll auch geäußert haben: ›Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit. ‹ Vater hat mir diese Weisheit immer unter die Nase gerieben, wenn ich behauptete, alles sei nur ein wunderschöner Traum.«
    Mia erstarrte. Sie kannte diese weiche angenehme Stimme, die so wunderbare Wiegenlieder singen konnte. Nur ein Traum? Unfähig, sich zu bewegen, sah sie aus den Augenwinkeln, wie sich Davy umdrehte.
    »Ich kenne dich«, sagte er fassungslos. »Von dem Bilderalbum, das Mia mir gezeigt hat. Du bist… Dina. Meine Schwiegermutter.«
    »Und ich weiß von dir aus Davids Erzählungen. Er hält große Stücke auf dich, Davy. Auf euch beide. Diesen kleinen Kerl da habe ich allerdings bisher nur angekündigt bekommen. Darf ich ihn mal halten?«
    Während Dina den Säugling behutsam aus Davys Armen nahm, konnte sich Mia endlich aus ihrer Erstarrung lösen. Langsam drehte sie sich um und schüttelte den Kopf »Nein. Aber das… geht doch nicht… Mama! « Sie begann haltlos zu weinen und ließ sich in die Arme ihrer Mutter sinken. Klein David klemmte irgendwie dazwischen und protestierte empört.
    Auch Dina Kornblum verlor nun die Fassung und war unfähig, etwas Vernünftiges hervorzubringen. Ungläubig blickte Davy die beiden an. Irgendwann wurde er in ihre Umarmung eingeschlossen. Selbst der Wind über den Klippen schien die drei nun mit milder Sanftmut zu umschmeicheln. Und dann weinten alle.
    »Irgendetwas riecht hier seltsam.« Die Bemerkung kam von Mias Mutter. Eine mit Uhren nicht zu messende Zeit des Glücks war inzwischen verstrichen.
    »Das ist Davids Windel. Bin noch nicht dazu gekommen, sie zu wechseln.«
    »W-Wie… W-Warum bist du hier?«, stammelte Mia. »Ich dachte du bist…

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