Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Fürstenring in einem überirdischen Feuerball.
David konnte das Licht nicht sehen. Er empfand auch keinen Schmerz.
Epilog
Im Traum und in der Liebe gibt’s keine Unmöglichkeiten.
Janos Arany
Der Zug verließ rumpelnd den Bahnhof von Camborne. Eine ältere Dame erschien in der Glastür. Als sie jedoch die junge Frau im Abteil ungeniert ihr Baby stillen sah, riss sie den Kopf zur Seite und flüchtete den Gang hinunter.
»Die Engländer sind manchmal recht verklemmt«, sagte Mia und blickte liebevoll auf das Kind.
Davy zupfte sich am Bart. »Ich weiß nicht. Ist schon auffällig, dass du Klein David immer dann füttern musst, wenn sich jemand zu uns ins Abteil setzen will.«
Mia schmunzelte. »Das eine und das andere muss sich ja nicht unbedingt ausschließen. Ich habe übrigens ebenfalls Hunger, mein Herr und Ernährer. Komm rüber zu mir, damit ich an deinem Ohr knabbern kann.«
Davy tat ihr den Gefallen und einige Zeit lang turtelten sie wie zwei Flitterwöchner.
»Bald müssten wir in Penzance ankommen. Hoffentlich hat die Reservierung des Mietwagens geklappt«, sagte Davy schließlich. Jetzt hielt er seinen auf den Tag genau drei Monate alten Sohn im Arm.
»Ich bin schon so gespannt auf Stony House«, sagte Mia. »Großpapa hat nur wenige Monate seines Lebens dort verbracht, aber wenn er von diesem Haus über den Klippen sprach, bekam seine Stimme immer so einen sehnsüchtigen Klang.«
»Es war der Ort, wo er mit Rebekka leben wollte.«
»Ob auch wir uns dort wohl fühlen werden?«
»Lass uns erst einmal den Landsitz anschauen und unsere Flitterwochen dort nachholen. Dann können wir uns entscheiden. Vielleicht verbringen wir ja den einen Sommer des Jahres auf der Farm in Australien und den anderen hier in Cornwall.«
»Ein Leben voller Sommer«, murmelte Mia und sah nachdenklich auf die grüne Landschaft hinaus. »Könnte auf die Dauer vielleicht langweilig werden.«
»Mit einem Temperamentsbündel wie unserem David und der Verantwortung für die Nachrichtenagentur seines Urgroßvaters? Das dürfte für uns beide Abwechslung genug sein!«
Mia bedachte ihren Ehemann mit einem verführerischen Lächeln. »Also mir fallen da noch ein paar andere schöne Dinge zum Zeitvertreib ein.« Das Paar küsste sich und Klein David, zwischen seinen Eltern eingekeilt, machte ein Bäuerchen.
Einige Zeit später lag Mias Blick wieder auf dem nun schlafenden Kind. Sie hatte dieses typische Glückliche-Mutter-Lächeln auf dem Gesicht. »Hast du auch von dem Zwillingspaar gelesen, Davy, das in Berlin zum Jahreswechsel geboren wurde? Kind eins kam vier Minuten vor und Kind zwei eine Minute nach dem Jahrtausendwechsel zur Welt. Schon komisch, wir haben den 26. Juli und kein Mensch spricht mehr vom Millennium.«
»Du tust es ja auch nur, um über deinen Großvater reden zu können.«
»Ich kann ihn eben nicht vergessen, Davy. Er fehlt mir so sehr!«
»Mir doch auch, Schatz. Aber die Welt dreht sich trotzdem weiter. Der Jahrtausendwechsel ist längst ein alter Hut. Die Menschheit ist nicht untergegangen, alle Unheilspropheten haben sich wieder in ihre Löcher verkrochen und man wendet sich dem nächsten Thema zu.«
Er blickte nachdenklich auf die Zeitung, die er kurz zuvor noch studiert hatte und die nun aufgeschlagen seinen alten Platz okkupierte. Der Absturz einer französischen Concorde war die Schlagzeile des Tages. Kurz nach dem Start vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle hatte Flug AF 4590 um exakt 4:44 Uhr in einem Flammeninferno sein vorzeitiges Ende gefunden. Man sprach von mindestens einhundertdreizehn Toten. Sofort waren Stimmen laut geworden, die ein totales Flugverbot der bejahrten Maschinen forderten. Davy deutete mit der Kinnspitze auf die Zeitung.
»Schon seltsam, dass der Concorde jetzt, nachdem sie Belials Hoffnungen enttäuscht hat, der Todesstoß versetzt werden soll.«
Mia blickte ihren Mann ernst an. »Glaubst du, der Schattenlord kann noch immer Macht über die Menschen ausüben?«
»Einmal habe ich David gefragt, warum ein überaus mächtiges Geschöpf wie Belial sich mit so kindischen Spielchen wie dem Verteilen von Siegelringen abgibt.«
»Und? Was hat er geantwortet?«
»Er meinte, solche Wesen hätten ein krankhaftes Verlangen nach materiellen Dingen. Lorenzo war auch dabei und hat mir natürlich gleich eine Geschichte aus dem Evangelium erzählt. Als Jesus einmal einen Besessenen heilte, bat ihn die Dämonenhorde – sie nannte sich übrigens ›Legion‹ –
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