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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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benutzte, wohl aus Furcht vor Entdeckung. David schloss rasch auf.
    Es ist tatsächlich Allilujew! Der Name schoss ihm wie eine Leuchtrakete durch den Sinn, als er der zerbrechlich wirkenden Gestalt schon ganz nahe war. Der Novize hatte beinahe den steinigen Strand erreicht. Er hielt geradewegs auf einige große Felsen zu, die weit ins Wasser reichten. Einen Moment lang entschwand er aus Davids Blickfeld, was diesen zu noch größerer Eile anspornte. Kurz bevor er den Felsen umrundete, sah er zwei Dinge voraus: Erstens würde hinter der Klippe ein hölzernes Motorboot auftauchen und zweitens eine Faust.
    David duckte sich und Allilujews Schlag sauste über ihn hinweg. Im Nu entbrannte ein heftiger Zweikampf. Ein verräterisches Stoffpaket rutschte aus dem Talar des jungen Recken. David blickte dem verschnürten Packen nach. Hesychasts Bericht über die Reise durchs Tal der Schla fenden Zauberer! Fast hätte er sich einen Schwinger seines Gegners eingehandelt, konnte sich aber im letzten Augenblick noch wie ein Schilfrohr wegbiegen.
    Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, das russische Bürschchen zu verletzen, aber der Novize kämpfte wie eine Wildkatze. Er stieß für einen frommen Mann höchst seltsame Geräusche aus, angereichert mit offenbar russischen Flüchen oder Verwünschungen.
    Zum vierten oder fünften Mal wich David nun schon dem Angreifer aus. Immer wieder hatte der Novize dabei Hiebe abbekommen, zu schwach, um ihn zu verletzen, aber stark genug, um ihn zu warnen. Beim nächsten Ansturm versuchte es der Jüngling mit einer Finte, die Davids Sekundenprophetie natürlich entlarvte und damit scheitern ließ. Er sprang auf den Weißschopf zu, stoppte kurz vorher ab, duckte sich zur Seite und hob einen Stein auf.
    Jetzt dreht er durch!, schoss es durch Davids Kopf. Noch ehe Allilujew, wie eigentlich geplant, schwungvoll ausholen konnte, um den Brocken mit aller Kraft gegen die Stirn seines Feindes zu schmettern, trat ihm David heftig gegen das Becken. Die russische Wildkatze schrie auf, taumelte rückwärts, fiel und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Dabei verlor sie ihre Kappe und dichtes langes Haar ergoss sich über den steinigen Strand. Allilujew rührte sich nicht mehr.
    David starrte ungläubig auf den Besiegten. War er tot? Langsam näherte er sich der reglosen Gestalt und blickte in das junge Gesicht. Mit einem Mal wurde ihm heiß und kalt zugleich.
    »Auch das noch!«, stieß er hervor. Er wusste nicht, ob er wütend oder besorgt sein sollte. Zunächst entschied er sich für den Zorn. Mit der Rechten packte er den dichten Vollbart Allilujews, legte aber vorsichtshalber die andere Hand unter dessen Hinterkopf. Das geschmeidige glatte Haar war nicht feucht, nur eine anschwellende Beule zu spüren. David verschob die erste Hilfe auf später und zog. Erwartungsgemäß hielt er nun den Bart in seiner Hand.
    »Ein Mädchen!«
    Allilujew (nun ja eigentlich Allilujewa) stöhnte. David atmete auf. Er hatte sie also nicht getötet. Wäre es anders gewesen, er hätte es sich nie verzeihen können. Langsam hob sie die Augenlider und sofort versteifte sich ihr Körper in Davids Armen.
    »Ruhig!«, sprach er besänftigend auf sie ein. »Ich werde Ihr Geheimnis nicht verraten.«
    Trotzdem richtete sich die junge Frau abrupt auf, nur um vor Schmerz stöhnend das Gesicht zu verziehen und sich den Hinterkopf zu halten. Bei den herrschenden Lichtverhältnissen schätzte David sein Opfer auf zwanzig, höchstens fünfundzwanzig. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit einer Stupsnase, die ohne den Theaterbart erheblich besser zur Geltung kam. David konnte es nicht recht einordnen. Sie war wohl weder Mongolin noch Chinesin, vielleicht ein Mischling. Ihre dunklen Mandelaugen funkelten David zornig an. Wenigstens schien sie im Moment keinen Gegenangriff zu planen.
    »Wie lautet Ihr richtiger Name?«, versuchte er es noch einmal in freundlichem Ton.
    »Kim Tong«, antwortete sie. »Woher haben Sie gewusst…?« Sie blickte zu Boden.
    »Dass Sie eine wandelnde Fälschung sind?« David musste lachen, die Anspannung fiel langsam von ihm ab. »Sie haben asiatische Gesichtszüge, trugen aber einen krausen Bart. Ich habe bisher nur Asiaten mit glattem Haar kennen gelernt.«
    Zur Unterstreichung seiner Worte ließ er Kim Tongs schulterlanges Haar durch seine Finger gleiten. Ihre Augen folgten der Bewegung und wandten sich ihm dann wieder zu, aber nun lag in ihnen ein deutlich weicherer Ausdruck.
    »Warum sind Sie vorhin so

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