Der Kreis der Sechs
anbeißen. Sie hatte ihm gesagt, es täte ihr leid, sie hätte bereits Pläne für heute Abend – aber trotzdem danke – und dann gebetet, dass er den Wink verstanden hatte.
Sie hatte ursprünglich vorgehabt, in der Bar eines neuen Restaurants am Rande der Stadt zu essen, wo das Essen und die Atmosphäre erstaunlich gehoben waren, doch jetzt konnte sie es nicht riskieren, dort Duncan über den Weg zu laufen. Nach ihrem letzten Kurs hatte sie die Zutaten für einen Salat gekauft, mit der Absicht, zu Hause zu bleiben. Doch dann hatte sie, weil sie sich bei dem Gedanken an eine Nacht allein in dem winzigen Haus, das sie gemietet hatte, zu unruhig fühlte, entschieden, sich zu Tony’s zu schleichen. Sie schätzte, dass es der letzte Ort auf der Welt sein würde, an dem Duncan und seine Freunde das Wochenende willkommen heißen würden.
Als sie das Restaurant erreichte, blieb sie einen Augenblick draußen stehen und versuchte, das leicht melancholische Gefühl abzuschütteln. Metallische Splitter in dem alten Gehweg spiegelten das Mondlicht und glitzerten wie verrückt. Sie konnte den Geruch des Winamac River ein paar Blocks weiter den Hügel hinunter wahrnehmen: schlammig, fischig, aber auf eine fremde, erdige Art anregend. Manchmal konnte sie vor dem Tony’s Musik von den Lokalen an der River Street heranwehen hören, aber jetzt war es zu früh dafür. Hoffentlich, dachte sie, hatte Lily Mack letzte Nacht mit einem Kerl angebandelt und die letzten zwanzig Stunden im Bett mit ihm verbracht und alles um sich herum vergessen, außer dem wilden Sex, den sie hatte.
Als Phoebe das Restaurant betrat, begrüßte der kleine, untersetzte Tony sie mit einer ungestümen Umarmung und erklärte sie wieder einmal zu seiner Lieblingsblondine. Nach ihrem ersten Abendessen dort hatte ihm anscheinend jemand verraten, dass sie eine berühmte Schriftstellerin aus New York City war. Offensichtlich, dachte Phoebe, hatte es die Person unterlassen, den Rest der Geschichte zu offenbaren, sonst wäre Tony sehr viel weniger froh darüber, sie zu sehen.
Er führte sie zu ihrem üblichen Tisch am Ende des Hauptspeiseraums, der an den Barbereich angrenzte. Sie schlüpfte aus ihrem Trenchcoat und blickte sich im Restaurant um. Es war zu etwa drei Vierteln voll, und die meisten der Gäste dieses Abends hatten mit ihrer Mahlzeit bereits seit Langem angefangen. Sie hatte erfahren müssen, dass die Leute im kleinstädtischen Pennsylvania wahnsinnig früh aßen. In Momenten wie diesem fühlte sie sich wie Alice, nachdem sie durch das Kaninchenloch gefallen war: Alles um sie herum war nicht nur verstörend fremdartig, sondern es ergab auch keinen Sinn. Vor sieben Monaten hatte sie noch mit ihrem Partner Alec in Manhattan gelebt, war gerade von der Tour für ihr letztes Buch – Hollywoods knallharte Mädels – zurück gewesen. Sie hatte sich selbst ein schönes Paar Diamantohrstecker gekauft, um zu feiern, dass das Buch nun seit sieben Wochen auf der New-York-Times-Bestsellerliste stand. Es hätte nicht rosiger für sie aussehen können. Und dann stürzte alles über ihr zusammen.
Es hatte mit Alec angefangen. Eines Abends nach dem Essen, als sie begann, das Geschirr abzuräumen, hatte er an seinem Platz am Tisch die Hand gehoben und sie gebeten, doch bitte zu warten.
»Was ist los?«, hatte sie gefragt, sich wieder hingesetzt und versucht vorauszusagen, was kommen würde. Er war wahrscheinlich verschnupft darüber, wie abgelenkt – und abwesend – sie während der letzten Etappe ihrer Lesereise gewesen war.
»Wir müssen reden«, sagte er langsam.
» O-kay «, antwortete sie, nun leicht beunruhigt.
»Du bist mir wichtig, Phoebe«, sagte er ernst, »und wir hatten fünf großartige Jahre zusammen.«
Mein Gott, dachte sie, ist er dabei, mir den Laufpass zu geben, während wir hier mit einer Platte Hühnerknochen zwischen uns sitzen? »Was ist los?«, verlangte sie zu wissen, unfähig die Schärfe aus ihrer Stimme zu halten.
»Ich habe immer gewusst, dass du nicht heiraten wolltest. Und ich habe das akzeptiert.«
»Nun, Alec, wenn ich mich recht erinnere, dann wolltest du das auch nie«, sagte sie.
»Ich schätze, ja. Ich meine, sicher. Aber … ich weiß nicht, in letzter Zeit habe ich mich gefragt, ob ich falsch damit lag, das zu denken.«
Die Bemerkung erstaunte sie, doch gleichzeitig milderte sie die aufkommende Angst, die sie gefühlt hatte. »Willst du damit sagen, du willst heiraten? «, fragte sie und lächelte ein wenig. Doch
Weitere Kostenlose Bücher