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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Beutelschneider von niederster Geburt – und dennoch wusste ich, was Ehre ist.
    Reubens Bein war zum Glück glatt durchgebrochen, und er litt zwar Schmerzen, wurde jedoch im Krankensaal der Johanniter gut versorgt. Ich suchte ihn auf, um ihn um Verzeihung zu bitten.
    »Gräme dich nicht deswegen, Alan. Wir haben versucht, ihn uns zu schnappen. Wir haben versagt. Es wird noch genug weitere Gelegenheiten geben, ihn uns zu holen«, sagte mein jüdischer Freund, und ich fühlte mich ein wenig besser. Robin hingegen sprach kein Wort mehr mit mir, und ich wusste, dass ich in Ungnade gefallen war, denn selbst Little John fand am nächsten Morgen einen Vorwand, um unsere Übungsstunde mit dem Schild ausfallen zu lassen. Daher verbrachte ich die nächsten Tage hauptsächlich im Bett mit Nur in dem kleinen Häuschen im Frauenquartier, das sie sich mit Elise teilte.
    Im Nachhinein war ich sehr froh darüber. Ich kann mich noch an ihr makelloses Gesicht erinnern – dunkle Augen, in denen man ertrinken wollte, die zarte kleine Nase, die hohen Wangenknochen, die üppigen, beerenroten Lippen, die um einen Kuss zu flehen schienen … Ich erinnere mich so deutlich an ihr Gesicht, selbst jetzt, vierzig Jahre später. Sie war so zart, zerbrechlich und wunderschön – manchmal kommen mir bei der Erinnerung an sie noch heute die Tränen. Ich erinnere mich auch an ihre Worte in jener Nacht, als ich ihr von meinem Zerwürfnis mit Robin erzählte: »Ich weiß, dass du immer versuchst, das Richtige zu tun, Alan, immer. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich so sehr liebe.«
     
    Etwa eine Woche später – es war fast Mitte August und sengend heiß – wurde ich wieder zu Robin gerufen. William fand mich auf dem Hof der Johanniter, wo ich allein mit Schwert und Schild übte. Er kam in Begleitung von Keelie, inzwischen eine glänzende, lebensfrohe, ausgewachsene Hündin von löwengelber Farbe, die angesprungen kam, um mich zu begrüßen und mir das Gesicht zu lecken.
    König Philip hatte Akkon Ende Juli verlassen und einige seiner Ritter mitgenommen, doch andere waren geblieben und hatten sich bereit erklärt, unter König Richards Banner zu kämpfen. In unserer Armee herrschte eine Atmosphäre stiller Zielstrebigkeit, das Gefühl, dass wir schon sehr bald gegen den Feind ins Feld ziehen würden. Und ich war fest entschlossen, mich in der Schlacht gegen die Sarazenen zu beweisen. Also übte ich trotz der mörderischen Hitze, in der ich bald schweißgebadet war, Tag für Tag meine Manöver mit Schwert und Schild.
    Es gab allerdings ein Haar in der Suppe: Saladin hatte das gewaltige Lösegeld für die dreitausend moslemischen Gefangenen noch nicht bezahlt und uns auch das Wahre Kreuz nicht zurückgegeben. Viele sagten, er habe keineswegs die Absicht, einen so unermesslich kostbaren Gegenstand seinen Feinden zu überlassen. Insgeheim ging ich davon aus, dass der König die gefangenen Sarazenen würde freilassen müssen, ehe wir weiterzogen. Eine solche Vielzahl von Menschen konnten wir auf dem Weg nach Jerusalem unmöglich bewachen und versorgen. Das wäre ein schwerer Schlag für sein Ansehen – doch was sollte er sonst tun?
    »Der G-Graf verlangt nach Euch«, sagte William, zerrte die sabbernde Keelie von mir weg und lächelte schüchtern zur Begrüßung. Seit unserem katastrophalen Versuch, Malbête zu ermorden, hatte ich ihn kaum mehr gesehen, und in dieser kurzen Zeit schien er ein paar Fingerbreit gewachsen zu sein. Auch sein Gesicht wirkte verändert, weniger rundlich, mit ausgeprägteren Wangenknochen. Er musste nun zwölf oder dreizehn Jahre alt sein, nahm ich an, und offensichtlich wurde er zum Mann. »Im Ha-Hauptquartier tut sich etwas«, sagte er. »Alle laufen ge-geschäftig herum und f-f-freuen sich über irgendetwas. Sie schärfen Waffen und pa-pa-packen ein. Ich glaube, wir ziehen ba-bald weiter.«
    Das bezweifelte ich. Wenn die ganze Armee Akkon verlassen sollte, hätte es im Vorfeld reichlich Gerüchte gegeben. Der Mond nahm zu, und meiner amateurhaften Einschätzung zufolge würde er morgen Nacht voll sein. Da war es wahrscheinlicher, dass morgen das geschehen würde, was Robin mit Aziz arrangiert hatte – was immer das auch sein mochte.
    Robin war kurz angebunden, als ich am Nachmittag recht nervös in seinem Palast am Meer vor ihm erschien. Er trug ein kostbares, langes Seidengewand, saß an einem Tisch, blätterte in einem Stapel Pergamente und prüfte offenbar irgendwelche Aufzeichnungen. Obwohl ich

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