Der Kreuzfahrer
meinen Ausbruch vergangene Woche inzwischen bereute, eines war nicht von der Hand zu weisen: Er sah tatsächlich aus wie ein Kaufmann.
Robin verschwendete keine Zeit auf Höflichkeiten. »Bist du kampffähig?«, fragte er. Ich bejahte. Er brummte nur und schrieb weiter. »Als du vor zwei oder zweieinhalb Jahren in meinen Dienst getreten bist«, sagte er ein wenig förmlich, »hast du geschworen, mir treu zu sein bis in den Tod. Stehst du zu diesem Eid?«
»Ich will doch hoffen, dass ich kein Eidbrecher bin …«, erwiderte ich ein wenig zu hochmütig.
Nun endlich blickte er von seinen Unterlagen auf und starrte mich an, mit Augen so kalt wie nackter Stahl im Winter. »Ein Eidbrecher magst du nicht sein, aber unverschämt bist du. Was ich wissen will, ist: Bist du gehorsam?«
Das Zerwürfnis mit meinem Herrn schmerzte mich. Trotz seiner vielen Fehler war er ein Mann, den ich respektierte und sehr mochte. Ein wenig versöhnlicher sagte ich: »Herr, ich bin mit ganzem Herzen Euer Diener, und ich bemühe mich stets, meine Pflichten so treu und gehorsam zu erfüllen, wie ich nur kann.«
Endlich lächelte er und sagte: »Gut. Alan, du musst mich morgen bei einem … einer militärischen Übung begleiten. Sag niemandem ein Wort davon, dass wir morgen hinausreiten. Sei im Morgengrauen hier, zu Pferde und bewaffnet. Oh, und du darfst nichts mit meinem Wappen daran bei dir tragen. Wir werden inkognito reisen, könnte man sagen.« Mit einem weiteren knappen Lächeln wandte er sich wieder seinen Pergamenten zu – ich war entlassen.
Am nächsten Tag kehrte ich kurz vor dem Morgengrauen auf Ghost zu seinem Palast zurück, ausgerüstet mit Schwert und Dolch und meinem altmodischen Schild, dessen Wolfswappen ich mit weißer Tünche übermalt hatte. Zu meiner Überraschung traf ich dort auf Reuben, der mit einem geschienten und dick verbundenen Bein zu Pferde saß. Sein Gesicht war blass und wirkte leicht verwirrt, doch er begrüßte mich herzlich, und dankbar erwiderte ich die freundlichen Worte. »Was soll das alles, Reuben?«, fragte ich ihn. »Zunächst einmal – was habt Ihr in Eurem Zustand auf einem Pferd verloren? Ihr solltet im Bett bleiben.«
»Heb dir deine Fragen lieber für später auf«, entgegnete mein dunkelhäutiger Freund mit recht schwerer Zunge. »Es ist notwendig, dass ich euch begleite, belassen wir es vorerst dabei. Du brauchst meinetwegen nicht besorgt zu sein – ich habe einen starken Trunk zu mir genommen, Haschisch, aufgelöst in Mohnsaft – und spüre die Schmerzen kaum. Eigentlich fühle ich mich … ich fühle mich großartig.« Er kicherte leise.
Er mochte sich großartig fühlen. Ich gewiss nicht. Ich hatte schlecht geschlafen und war schwindelig und durchgeschwitzt aufgewacht, mit leichten, aber hartnäckigen Kopfschmerzen. Doch ich schob alle Gedanken an mein Unwohlsein beiseite, als wir durch das hohe Stadttor von Akkon hinausritten und unsere Pferde gen Süden wandten. Vierzig waren wir, etwa zur Hälfte Bogenschützen und zur Hälfte Reiterkrieger, alle auf gut genährten und ausgeruhten Pferden. Während wir auf einer provisorischen Brücke die Gräben überquerten, die unsere Armee während der Belagerung gegraben hatte, fiel mir auf, dass fast die gesamte Gruppe aus vertrauten Gesichtern bestand. Beinahe alle waren ehemalige Geächtete, die seit vielen Jahren zu Robin gehörten. Wir waren eine Art Elitetruppe, nahm ich an, und deshalb so zusammengestellt, weil wir alle einander kannten und vertrauten und schon so manche Not, so manchen Kampf gemeinsam durchgestanden hatten. Außerdem spürte ich eine freudige Erregung in dieser Truppe, die ich nicht mehr erlebt hatte, seit wir aus England aufgebrochen waren. Robin hatte gesagt, wir würden eine militärische Übung abhalten, doch es fühlte sich so an, als ritten wir durch den Sherwood Forest, auf dem Weg zu irgendeinem waghalsigen Streich, der uns die Taschen mit Silber füllen und dem Sheriff die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
Wir überquerten einen flachen Fluss und ritten weiter gen Süden auf einer offenen Sandfläche, die kaum als Straße zu bezeichnen war. Sie verlief am Meer entlang, und die Landschaft hätte im Vergleich mit dem Sherwood gegensätzlicher nicht sein können: Abgesehen von der tiefblauen See, war sie öde, von der Sonne gebleicht, sandig und karg und schon zu dieser frühen Stunde von einem Flimmern überzogen, das drohend einen Tag brutaler, glühender Hitze verhieß. Links von uns
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