Der Kreuzfahrer
sogleich zu sehen. Mit blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Man hatte ihm gesagt, dass ich ein Geschenk für ihn bringe, und wie ein gieriges Kind wollte er es sofort haben.
Also machte ich ihm meine Aufwartung in der großen Halle, klatschnass und durchgefroren bis ins Mark – einen erbärmlichen Anblick bot ich vor dem guten Dutzend kostbar gewandeter Höflinge und Favoriten –, und überreichte Robins Gabe. Es war ein prachtvoll zusammenpassendes Paar Jagdfalken, die ich nach Robins Anweisung in London gekauft hatte. Die Gerfalken waren ganz exquisit: groß, mit breiten, gefleckten Flügeln und cremeweißer, schwarz gesprenkelter Brust. Das helle Blaugrau der elegant gekrümmten Schnäbel ging an der grausamen Spitze in Schwarz über, und sie trugen Hauben aus weichem spanischem Leder in Rot, geschmückt mit silbernen Glöckchen. Ich war stolz darauf, dass ich den Falkner in London hatte überreden können, sich von den Vögeln zu trennen, obgleich ich eine Menge von Robins Silber dafür hatte bezahlen müssen. Außerdem überreichte ich Prinz John Robins Brief. Ich wusste, was darin stand – die besten Wünsche für den Prinzen und die üblichen Höflichkeitsfloskeln, wie man sie von einem hochrangigen Adeligen und mächtigen Nachbarn erwarten würde. Robins Festung Kirkton lag ja kaum vierzig Meilen nördlich von Nottingham, einige seiner Güter sogar noch näher.
Prinz John, ein gedrungener, dicklicher junger Mann mit dunkelroten Locken, fand großen Gefallen an den Falken. Er liebte die Jagd und begann sofort, in zärtlich säuselndem Ton zu den Vögeln zu sprechen wie eine Mutter zu ihrem Neugeborenen. Den Brief würdigte er kaum eines Blickes und reichte ihn sogleich an den Mann neben ihm weiter: ein großer, gutgebauter Ritter, bescheiden gekleidet für diese königliche Gesellschaft, doch mit einem guten Schwert an der Seite. Auffällig war die weiße Strähne, die sich über der Mitte der Stirn durch sein rostbraunes Haar zog. Er starrte mich an, und mir fiel eine weitere Besonderheit an dem Mann auf: Er hatte Augen wie ein Fuchs – haselnussbraun, aber wie mit Sternen und Splittern durchsetzt, und das wilde Glitzern darin gefiel mir gar nicht.
»Was soll ich damit?«, fragte der Fuchsritter langsam und mit tiefer Stimme in normannischem Französisch. Er blickte auf den Brief in seinen großen Händen hinab.
»Ach, richtig, du kannst ja gar nichts damit anfangen«, entgegnete der Prinz ein wenig höhnisch in derselben Sprache. Er entriss dem Mann das Pergament. »Mally, du solltest wirklich einmal lesen und schreiben lernen.«
Prinz John wandte sich um und reichte den Brief nun einem kleinen Dunkelhaarigen. Dieser war ganz in Schwarz gekleidet und stand neben und ein wenig hinter dem Prinzen, das Gesicht in einem kleinen, mit Juwelen besetzten Gebetbuch vergraben. »Von Eurem alten Freund, dem sogenannten Earl of Locksley«, bemerkte der Prinz, als er das Pergament übergab. Er hatte eine barsche, hohe Stimme, in der stets völlige Verachtung für alle Welt mitzuschwingen schien. Der in Schwarz gehüllte Mann ließ das Buch sinken, nahm den Brief und starrte mich einige Herzschläge lang mit eisblauen Augen und ausdrucksloser Miene an. Dann begann er zu lesen.
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich ihn erkannte, doch dann wurde mir zu meinem Entsetzen klar, dass ich Sir Ralph Murdac vor mir hatte, den ehemaligen Sheriff von Nottinghamshire: den Mann, der meinen Vater hatte hängen lassen; den Mann, der mich vergangenen Sommer in einem stinkenden Verlies in Winchester auf höchst demütigende Weise gefoltert hatte; ebenden Mann, dem ich wie keinem sonst den Tod wünschte. Meine Hand lag schon am Griff meines Dolches, und einen Augenblick lang dachte ich daran, einfach die paar Schritte zu ihm hinzugehen und ihm die Klinge bis zum Heft in den Bauch zu stoßen. Doch Gott sei Dank obsiegte die Vernunft. Ich war Gast am Hof eines Prinzen. Es befanden sich Dutzende Zeugen im Raum. Murdac vor all diesen Leuten abzuschlachten wäre vielleicht äußerst befriedigend gewesen, aber noch vor dem Abend würde ich am Galgen baumeln.
Murdac hob den Blick von dem Brief. Er musterte mich lange. »Lasst ihn etwas vorsingen«, sagte er mit dieser weichen, lispelnden französischen Stimme, die ich so gut kannte. Prinz John achtete gar nicht mehr auf mich – er gab leise gurrende Laute von sich und streichelte die weiche, gesprenkelte Brust eines der Falken. »Da steht, diese schlammbespritzte
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