Der Kreuzfahrer
Gugel, die ich in London gekauft hatte. Sie war aus feinster Wolle gefertigt, himmlisch weich, bestickt mit kleinen Stückchen Blattgold in der Form von Diamanten und roten Wollsternen, und sie hatte einen langen, dicken Zipfel, der mir wie eine zahme Schlange über der Schulter hing. Dies war der Gipfel der kultivierten Stadtmode, hatte mir der fesche Londoner Haubenmacher versichert, und ich betrachtete sie als wahren Schatz. Also würdigte ich Robins Frage keiner Antwort, und zehn Minuten später saßen Little John, Sir James de Brus, Owain der Bogenschütze, Robin und ich mit Bierkrügen in der Hand zusammen an der langen Tafel. »Tuck ist auf dem Friedhof und begräbt den Toten«, erklärte John. Robin nickte, sagte aber nichts. Er besuchte die kleine St.-Nicholas-Kirche am südöstlichen Fuß der Festung nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, weil sein Ausbleiben als sehr merkwürdig aufgefallen wäre. Ich wusste auch, warum: Im Herzen war Robin kein Christ. Ein brutaler Priester hatte Robin gequält, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, und ihm einen abgrundtiefen Hass auf die Mutter Kirche eingeprägt. Obwohl Robin feierlich gelobt hatte, seinen Kreuzzug anzutreten, war in seiner Seele kein Platz für Unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus. So schockierend, ja geradezu niederträchtig dies Euch, dem Leser dieses Pergaments, erscheinen mag – aus irgendeinem seltsamen Grund akzeptierten Robins Mannen seinen mangelnden Glauben. Oder taten, als wüssten sie nichts davon. Sie liebten ihn und folgten ihm, obgleich er zweifellos eine verdammte Seele war.
»Bei des Heiligen Vaters Hühneraugen, das war gute Arbeit, die du da letzte Nacht geleistet hast, du Jungspund«, sagte Little John und holte mich mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. »Hätte ich selbst nicht besser machen können.«
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich errötete und nichts zu sagen wusste. Der Herrgott möge mir meinen Stolz verzeihen, aber ich wusste, dass ich mich gut geschlagen hatte. Im Gegensatz zu Robin machte John selten Komplimente, und da er Robins Waffenmeister war und mich im Kampf unterwies, bedeutete mir sein Lob sehr viel.
»Also, Alan, Schluss mit diesem dramatischen Schweigen. Du führst hier keine Canson auf. Erzähl uns von dem Mordkomplott des Sir Ralph Murdac«, sagte Robin und fixierte mich mit strengem Blick. »Ich dachte, er hielte sich immer noch in der düsteren Wildnis Schottlands versteckt – nichts für ungut, Sir James.« Der Schotte runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts.
Bis vor wenigen Tagen hatte auch ich Murdac in Schottland gewähnt. Nach der Schlacht bei Linden Lea, in der Robin Murdacs Truppen besiegt hatte, war der boshafte kleine Mann zu Verwandten nördlich der Grenze geflüchtet. Damit wollte er sich nicht nur vor Robins Rache in Sicherheit bringen, sondern auch vor König Richard. Dieser suchte vermutlich nach Murdac, um ihn wegen einer gewaltigen Summe Steuersilber zur Rechenschaft zu ziehen, die der ehemalige Sheriff von Nottinghamshire eingezogen hatte, angeblich für die Expedition nach Outremer. Doch statt das Geld, das er den Bauern abgepresst hatte, an die königliche Schatzkammer weiterzugeben, hatte Murdac es für sich behalten, und sein schlechtes Gewissen hatte ihn in die Flucht getrieben, so sehr fürchtete er Richards Zorn. Offensichtlich hatte er noch eine Menge Silber übrig, denn sonst hätte er es sich nicht leisten können, einen Preis auf Robins Kopf auszusetzen.
»Tja, er ist zurück«, sagte ich, »und er hat es auf Euch abgesehen.« Ich setzte mich zurecht und begann zu erzählen. »Ich hatte die Angelegenheiten in Winchester, Oxford und London erledigt«, fing ich an. »Alles war glattgelaufen, also ritt ich gen Norden nach Nottingham, um Prinz John Eure Geschenke zu überbringen …«
Dem jüngeren Bruder von König Richard war es seit dem Tod seines Vaters prächtig ergangen. Sein großer Bruder überschüttete ihn mit Ländereien und Titeln – er war bereits Lord of Ireland gewesen, dazu waren noch die Grafschaften Derby und Nottinghamshire gekommen. Außerdem gehörten ihm Lancaster, Gloucester und Marlborough sowie ausgedehnte Ländereien in Wales. Der Prinz empfing mich in der großen Halle des königlichen Schlosses von Nottingham, doch mit wenig königlicher Gnade. Ich war erschöpft von der Reise, durchweicht von einem Wolkenbruch und über und über mit dem Matsch der Straßen bespritzt, doch Prinz John bestand darauf, mich
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