Der Kreuzfahrer
etwas nicht stimmte: Burschen liefen hastig herum und riefen ihren Kameraden halblaute Botschaften zu. Ein Haufen Lehrlinge kreuzte unseren Weg, und ihr trunkenes Lied endete mit dem Refrain: »… Ah-ha, ah-ha, ah-ha, noch einen Humpen Bier, ihr Jungs, ah-ha, ah-ha, ah-ha, dann werden die Juden sterben, Jungs, ah-ha, ah-ha, ah-ha …« Offenbar ging der Menschenstrom mit uns die Straße entlang auf den Marktplatz zu – eine Flut von Leuten, die alle in dieselbe Richtung wollten.
Ich fühlte mich nicht wohl dabei und warf Robin einen Blick zu. Auch er runzelte die Stirn, doch wir ritten weiter den Hügel hinan, bis sich links von uns ein Platz auftat. Der Gestank nach fauligem Fleisch verriet mir, dass wir die Schlachtbank der Stadt passierten. Robin legte mir eine Hand auf den Arm, und vor dem Eingang zum Fleischermarkt zügelten wir unsere Pferde. Der offene Platz war gesäumt von grob gezimmerten Buden, in denen blutige Stücke Rind- und Schweinefleisch verkauft wurden und reihenweise tote Hühnchen kopfunter an den Füßen hingen.
In der Mitte hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Auf einer Kiste am hinteren Ende stand ein kleiner Mann mittleren Alters in einer Art Mönchsrobe – allerdings war das Gewand schmuddelig weiß, nicht braun, wie üblich – und hielt eine feurige Rede. Robin und ich blieben stehen, um zuzuhören, und immer mehr Yorker schlossen sich der Menge vor dem Mönch an und lauschten angestrengt seiner Botschaft. Bald wurde deutlich, dass er über den Kreuzzug sprach und die dringende Notwendigkeit, das Heilige Land zu befreien.
»… besudeln ihre Tiere unsere heiligen Stätten. Ja, das Vieh der Ungläubigen scheißt auf die Böden der Grabeskirche selbst. Ihre Sklaven, schwarz wie der Satan, pissen in den Brunnen, in dem viele fromme Christenkinder getauft wurden. Wie lange, o Herr, wie lange wirst du diese schändlichen Sarazenen noch gewähren lassen? Wo ist der starke rechte Arm der Christenheit? Wo bleibt die Armee der Gerechten, die das Heilige Land reinwaschen wird von diesen widerwärtigen, Christus leugnenden Teufeln? Ich sage euch, Brüder: Die großen Männer dieses Landes leisten ihren Teil. Sogar unser guter König Richard hat feierlich geschworen, Jerusalem zurückzuerobern und von diesen ungläubigen Läusen zu befreien, die über jene Steine krabbeln, auf denen Christus sein gesegnetes Wirken begann. Auch all die hohen Herren von England und Frankreich leisten ihren Teil dazu, die Welt von der Fäulnis dieser Heiden zu reinigen: Unser edler Sheriff, Sir John Marshal, Bruder des größten Ritters der Christenheit William the Marshal, ruft seine Mannen zusammen, tapfere Ritter aus ganz Yorkshire, um die Meere zu überqueren und die stinkenden Horden des Teufels niederzuwerfen.«
Die Menge jubelte, von den Worten des weißen Priesters mitgerissen. »Doch was kann ich tun, fragt ihr? Wie kann ich meinen Teil zu dieser größten Anstrengung beitragen, die Welt von Sünde und Unglauben zu säubern? Was kann ich tun?« Der weiße Mönch hielt inne und blickte forschend in die Menge. »Ich bin kein großer Ritter, kein Edelmann oder König, sagt ihr. Ich bin nur ein einfacher Mann, ein guter Christ, doch kein Schwertkämpfer mit einem Streitross, großen Ländereien und prächtigen Gütern. Und zu euch sage ich: Der Teufel ist unter euch! Hier und heute! Hier in dieser Stadt!«
Die Menge stieß ein kollektives Zischen aus. Der weiße Mönch reckte den Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger und ließ ihn langsam über die Zuhörer schweifen. Aus irgendeinem seltsamen Grund war es schwierig, diesem anklagenden Finger nicht mit dem Blick zu folgen.
»Der Teufel ist hier, sage ich, hier unter euch, in diesem Augenblick. Ihr braucht nicht ins ferne Outremer zu ziehen, um für das Gute zu kämpfen. Ihr braucht nicht Leib und Leben auf der langen Reise gen Osten zu riskieren. Es gibt üble Ketzer, Ungläubige, Dämonen in Menschengestalt, die es wagen, Christus zu verleugnen, die der heiligen Maria, Mutter Gottes, ins Gesicht spucken … und sie sind hier, hier in York. Sie leben unter den Christen wie menschliche Ratten. Ihr wisst, von wem ich spreche – ihr kennt diese Art Menschen. Sie sind diejenigen, die ehrlichen Leuten das Brot von den Lippen stehlen, die mit ihren verfluchten Schuldzinsen aufrechte Männer in den Ruin treiben. Sie sind die Rasse, die Christus leugnet, die unseren Erlöser am Kreuz ermordet hat und auch heute noch kleine Christenkinder raubt und
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