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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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für ihre widerlichen satanischen Rituale abschlachtet …«
    Das Murren der Menge wurde lauter, und dann brüllte jemand: »Die Juden! Die Juden!« Die Leute griffen den Ruf auf und zogen die tiefe Silbe zu einem donnernden »Uuuuh« in die Länge. Es konnte einem das Blut gefrieren, wie die Menge brüllend skandierte: »Die Juuuden, Tod den Juuuden, Tod den Juuuden«, tief und schallend wie das primitive Geheul einer gereizten Bestie.
    »Es ist Gottes Wille, Gottes Wille, sage ich! Gott der Allmächtige will die Juden, diese Rasse degenerierter Unholde, vom Angesicht der Erde getilgt sehen …«
    Robin beobachtete die Vorstellung des Mönchs mit grimmiger Miene. Mit weißen Speichelflocken an beiden Mundwinkeln stachelte der weiß gewandete Mann den Hass der Menge auf. »Jemand sollte diesen Wahnsinnigen niederstechen, ehe er ein Blutbad anrichtet«, sagte Robin leise, beinahe wie zu sich selbst.
    Ich sah ihn an, denn sein Tonfall weckte meine Besorgnis. Er meinte es ernst, doch einen Mönch oder Priester zu töten war ein Sakrileg der allerschlimmsten Sorte. Als junger Mann war Robin geächtet worden, weil er einen Geistlichen getötet hatte – an eine weitere Todsünde dieses ungeheuren Ausmaßes konnte er doch gewiss nicht denken?
    »Ich habe mehr als genug gehört«, sagte Robin. »Reiten wir weiter. Wir müssen Reuben warnen.«
    Das war jedoch nicht nötig. Als wir uns dem jüdischen Viertel näherten, das unmittelbar außerhalb des mit Palisaden befestigten Erdwalls um die Stadt lag, war nicht zu übersehen, dass dieses bereits angegriffen worden war. Verbrannte und zerbrochene Habseligkeiten lagen auf der Straße verstreut. Vom großen steinernen Haus eines wohlhabenden Mannes war nur eine schwelende Ruine geblieben. Christliche Plünderer huschten hinein und heraus, die Arme mit schwarz verrußten Dingen beladen – Töpfe und Pfannen, Decken und Stühle, hauptsächlich kleine Gegenstände von geringem Wert. Ein Mann jedoch machte sich mit einer kleinen, eisenbeschlagenen Truhe davon, die aussah, als enthielte sie Schmuck.
    »Das ist Benedicts Haus. Oder vielmehr, das war sein Haus«, bemerkte Robin grimmig. »Er ist das Oberhaupt der Juden von York, sofern er noch lebt. Reubens Haus scheint verschont geblieben zu sein – bis jetzt.« Er führte mich zu einem soliden zweistöckigen Gebäude aus Holz etwa hundert Schritt von der ausgebrannten Ruine entfernt. Es stand in einem großen Garten mit seltsamen, exotischen Stauden und riesigen Kräuterbeeten, denn Reuben war nicht nur Geldverleiher, sondern auch Heiler. Wir hielten und saßen am Tor ab. Der Duft der Kräuter war betörend – ich erhaschte einen Hauch von Salbei und Borretsch, Rosmarin und Majoran …
    Als ich durch das Tor in den Garten trat und zu den fest verschlossenen Fensterläden über der eisenbeschlagenen Eichentür aufblickte, spürte ich plötzlich einen mächtigen Stoß im Rücken und landete bäuchlings auf den Ziegelsteinen des Gartenwegs. Ein dumpfer Schlag war hinter mir zu hören, und ich riss den Kopf herum und sah den hübschen schwarzen Griff eines Wurfmessers im Torpfosten vibrieren.
    »Reuben, ich bin es, Robert of Locksley, mit dem jungen Alan Dale. Wir sind Freunde. Wir wollen euch nichts Böses«, rief Robin, der sich hinter einen kleinen Busch gekauert hatte. »Reuben, du kennst uns doch! Lass uns ein!«
    Ein Fensterladen im ersten Stock öffnete sich einen Spaltbreit, und ich sah ein braunes Gesicht, das argwöhnisch zu uns herausspähte, mit braunen Locken und braunen Augen, die hart wie Eichenholz wirkten. »Was willst du von mir, Christ?«, fragte eine barsche Stimme.
    »Ich möchte mir etwas Geld leihen«, antwortete Robin, und sein schönstes Lächeln breitete sich über sein Gesicht.
     
    Reubens Tochter Ruth brachte uns Brot, Käse und Wein. Sie war ein wohlgestaltes Mädchen etwa in meinem Alter: groß, schlank, aber mit vollem Busen und natürlich verschleiert, bis auf die riesigen braunen Rehaugen. Ich spürte, dass sie mich hinter dem dünnen weißen Schleier anlächelte. Ich erwiderte das Lächeln und schlug dann unsicher die Augen nieder, da sie mich über ihren Schleier hinweg unverwandt weiter ansah.
    »Danke, Ruth«, sagte Reuben barsch, und seine Tochter wandte sich brav ab und überließ uns unserem Mahl.
    »Ich sollte ihr diese Kühnheit aus dem Leib prügeln, ich weiß«, bemerkte Reuben, »aber sie ist mein einziges Kind, und sie erinnert mich so sehr an ihre Mutter, möge ihre Seele in

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