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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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erkannte die Logik hinter Robins Anweisungen. Falls Feinde die Brüstung überwinden sollten, konnten wir fünf sie blitzschnell angreifen, und es müsste uns gelingen, sie zurückzuschlagen. Ich zog mein altes, ein wenig ramponiertes Schwert aus der Scheide und begann, die lange Klinge mit einem Wetzstein zu schleifen. Das Kreischen von Stein auf Metall bildete den Kontrapunkt zu dem Hämmern im Burghof, eine Art unirdische, martialische Musik. Ich ertappte mich dabei, dass ich meine Streiche dem Rhythmus der Hammerschläge anpasste. Und dann, urplötzlich, hörte das Hämmern auf.
    Ich stand auf, trat an die Brüstung und befahl meiner kleinen Gruppe »Korken«, auf ihren Posten zu bleiben. Der Hof unten war wieder voller Menschen, doch diesmal schien die Menge aus wesentlich mehr Bewaffneten in Scharlachrot und Himmelblau zu bestehen, und weniger Bürgern von York. Ich sah Leitern, die über die Köpfe hinweg nach vorn durchgereicht wurden, und plötzlich erscholl eine Trompete, und die ganze Menschenmasse setzte sich in Richtung Turm in Bewegung.
    »Da kommen sie wieder«, rief jemand. Ich blickte nach links und rechts in die grimmigen Gesichter der jüdischen Verteidiger, die ihre Armbrüste mit weißen Fingerknöcheln umklammerten und sich breitbeinig auf den Bohlen aufstellten, als stemmten sie sich einem spürbaren Widerstand entgegen. Wieder schärfte Robin ihnen ein, noch nicht zu schießen. »Wartet, bis sie mit dem Angriff beginnen«, rief er laut. »Wartet auf mein Zeichen. Wartet.«
    Die Angreifer teilten sich in zwei Gruppen auf und ignorierten die steile Holztreppe zu der eisenbeschlagenen Tür, die sie zuvor nicht hatten überwinden können. Die zwei Menschenströme flossen um den mächtigen Erdhügel herum, auf dem der Turm erbaut war. Sie befanden sich fast außerhalb der zielsicheren Schussweite einer Armbrust, und zudem bestand Robin weiterhin darauf, dass wir unsere Bolzen für einen echten Angriff aufsparten. In Hörweite waren sie allerdings. Manche brüllten Flüche zu uns herauf, während sie den Hügel umrundeten, andere fuchtelten mit Schwertern und Spießen und johlten laut, und wieder andere ignorierten uns grimmig. Sie formierten sich lose zu zwei Abteilungen, eine westlich am Ufer der Ouse, die andere im Norden auf der ebenen Wiese vor der Stadt. Aus dieser zweiten Menschenmenge trat eine Gestalt heraus, begleitet von einem Soldaten mit einer weißen Flagge in der Hand. Es war Sir Richard Malbête. Ich sah, wie Robin mit dem Langbogen in der Linken nach dem Leinenköcher an seiner Taille griff, doch Joshe legte ihm eine Hand auf den Arm. »Lasst uns hören, was er zu sagen hat«, bat der alte Jude leise und sachlich. Robin runzelte die Stirn, ließ den Pfeil jedoch wieder in den Köcher fallen.
    »Juden von York«, rief Malbête, und seine Worte drangen leise, aber verständlich zu uns herüber. »Juden von York«, wiederholte er. »Gebt die Christenkinder frei, die ihr gefangen haltet, verlasst den King’s Tower, und wir werden gnädig sein.«
    Ein erstauntes Raunen lief um die Dachplattform.
    »Was für Kinder?«, rief jemand. »Wovon sprecht Ihr? Seid Ihr von Sinnen?«
    »Lasst die Christenkinder frei. Gebt uns die beiden christlichen Jungen zurück, die ihr geraubt habt – zwei von unseren kleinen, blonden Engeln. Wenn sie unversehrt zu ihrer Mutter zurückkehren, werden wir Gnade walten lassen«, donnerte Sir Richard.
    Joshe trat an die Brüstung. Er bildete mit beiden Händen einen Trichter vor dem Mund und rief: »Wir haben hier keine Christenkinder. Wer immer das behauptet, lügt. Es sind keine christlichen Kinder in diesem Turm. Weshalb führt Ihr Krieg gegen uns?«
    Malbête kehrte dem Turm den Rücken und wandte sich der Menge zu. Ein Soldat trat besorgt vor und hob seinen Schild, um den Rücken des Ritters zu decken. »Sie haben sie ermordet!«, schrie der. »Sie haben unsere kleinen Engel ermordet. Sollen wir sie etwa in Frieden lassen? Sollen wir einfach gehen und diese Kindermörder, diese Ungläubigen am Leben lassen, damit sie ihr schändliches Hexenwerk fortführen können?«
    Wie aus einem Mund verneinte die Menge. Eine Trompete ließ zwei Töne erschallen, und die beiden feindlichen Truppen setzten sich von Osten und Norden aus in Marsch. Sie rückten auf den Turm vor, Leitern hoch in die Luft gereckt.
    Ich sah kaum etwas von dem Sturm, weil ich mit gezücktem Schwert, Rücken an Rücken mit meinen »Korken«, in der Mitte des Daches stand. Doch der Lärm war

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