Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
Vom Netzwerk:
wirbelte verzweifelt herum und zielte mit dem Dolch auf die Augen. Der Mann zog den Kopf zurück, ich schwang den Oberkörper herum und ließ das Schwert gegen die Seite seines Helms krachen. Ich musste ihn halb bewusstlos geschlagen haben, denn er verlor den Halt an der Sprosse und fiel rücklings in die Tiefe wie ein Stein, so dass er auch den Nächsten auf der Leiter mit sich riss.
    Als ich über die Brüstung spähte, sah ich, dass die Leiter beinahe geleert war bis auf einen nervösen Mann weit unten, der es nicht eilig hatte, dem Tod entgegenzuklettern. Also ließ ich meine Waffen fallen, packte die Holme der Leiter und verdrehte sie nach links und dann nach rechts, bis er absprang. Dann schleuderte ich das ganze Ding mit aller Kraft vom Turm weg.
    Ich hob meine blutigen Klingen auf und blickte mich nach meinen Männern um. Das Dach war übersät von toten Feinden – Stadtbürger und Soldaten, etwa ein Dutzend, lagen neben- oder übereinander in ihrem eigenen Blut, während ein paar weitere noch zuckten, stöhnten und sich in Todeskrämpfen wanden. Ein Soldat kauerte entwaffnet auf den Knien. Er war schwerverwundet und wurde buchstäblich in Stücke gehauen von zwei Juden, die vor Wut schrien, mit beidhändig geführten Schwertern auf sein zerrissenes Kettenhemd eindroschen und ihm in die ungeschützten Hände hackten, mit denen er die Hiebe abzuwehren versuchte. Der dritte Jude meiner kleinen Gruppe stand leicht schwankend da, sein noch unbeflecktes Schwert hing an seiner Seite herab, und darüber zeigte ein riesiges scharlachrotes Mal, wo die Klinge eines Feindes ihn getroffen hatte. Er starb aufrecht stehend, die Augen vor Angst weit aufgerissen, während der nasse Fleck sich ausbreitete, bis der halbe Kittel blutgetränkt war. Dann fiel er auf die Knie, kippte vornüber, schlug mit dem Gesicht auf den Bohlen des Daches auf und lag still.
    Und dann war da noch Reuben. Reuben war in einen Zweikampf mit einem kettengepanzerten Soldaten verstrickt – das war kein zorniger Bürger mit einem rostigen Rechen, sondern ein ausgebildeter Kämpfer. Reubens schlanke, mädchenhafte Klinge war überall, täuschte hoch an, um dann zu den Knöcheln hinabzufahren, stieß nach den Augen und wandelte die Bewegung plötzlich in einen Streich gegen den Hals um. Reuben kämpfte meisterhaft. Eigentlich hätte ich ihm beispringen müssen, doch es war offensichtlich, dass er meine Hilfe nicht brauchte. Der Soldat hatte gar keine Chance, seine plumpen Hiebe brachten sein schweres Schwert nicht einmal in die Nähe von Reubens Körper. Und dann war es blitzschnell vorbei: Reuben trat zwei kleine Schritte vor, schlug die Klinge des Mannes mit einem kurzen Schnippen des Handgelenks beiseite und stieß ihm die gebogene Klinge beinahe grazil in die Kehle. Der Mann fiel auf ein Knie und umklammerte seinen Hals mit weißen Händen, während das Leben stoßweise und im hohen Bogen aus ihm herausspritzte.
    Der Angriff war vorbei. Ich sah besiegte Bürger und Soldaten zurück zum Burghof strömen, und als ich mich über die Brustwehr beugte, lagen da Berge von Toten – Dutzende und Aberdutzende, manche so dicht mit schwarzen Bolzen gespickt wie Igel – und zahllose Verwundete, die nicht laufen konnten. Viele hatten sich beim Sturz von einer der Leitern die Beine gebrochen. Die Juden kannten keine Gnade, und Robin ließ sie gewähren. Sie luden ihre Armbrüste, beugten sich über den Rand und schossen einen Bolzen nach dem anderen auf die Verletzten dort unten ab. Dann hievten sie die toten und die verwundeten Feinde vom Dach über die Brüstung, so dass sie zwanzig Fuß tief auf den Hügel stürzten und den grasbewachsenen Abhang hinunterrollten.
    Auch wir hatten Verluste erlitten. Abgesehen von meinem Mann, um den sich bereits seine Kameraden kümmerten, hatten wir zwei Tote zu beklagen, die von Wurfspeeren getroffen worden waren. Ein Jude hatte eine schlimme Verletzung durch einen Pfeil erlitten, und mehrere weitere hatten bei ihren Versuchen, die Leitern zurückzustoßen, Schwertstreiche der Angreifer abbekommen. Doch alles in allem hatten wir nicht viel Schaden genommen, und wir hatten sie uns ein weiteres Mal vom Leib gehalten.
    Als die Sonne über unserem Schlachtfeld unterging, herrschte trotziger Triumph im Turm. Die Juden waren zweimal angegriffen worden, und zweimal hatten die Männer ihre Feinde todesmutig zurückgeschlagen. Wie stets nach einer Schlacht überkam mich große Traurigkeit, so dass ich fast den Tränen nahe

Weitere Kostenlose Bücher