Der Kreuzfahrer
hölzerne Gebilde, das zahlreiche fleißige Handwerker aus der Stadt errichteten. Diese Frage bedurfte keiner Antwort. Von dem ständigen Hämmern hatte ich wieder gewaltige Kopfschmerzen bekommen. Der Rahmen war bereits fertiggestellt, ein Viereck aus dicken Balken, miteinander vernagelt und verzurrt und auf soliden hölzernen Rädern befestigt. Auch die senkrechten Balken waren schon angebracht worden, und an ihrer Spitze ein Querbalken, so dass das Gebilde an einen Galgen erinnerte. In der Mitte, in einem Spinnennetz aus Tauen, Seilen und Flaschenzügen, befand sich etwas, das wie ein riesiger hölzerner Löffel aussah. Natürlich wusste ich, was das war. Und ich schauderte bei dem Anblick. Das war eine Mangonel, eine Belagerungsmaschine, die Felsbrocken auf den Turm schleudern konnte – und ich hatte selbst gesehen, wie diese Art Katapult Kleinholz aus der soliden Palisade eines befestigten Rittergutes gemacht hatte.
»Wenn sie die erst in Gang setzen«, sagte Robin, »bleiben uns nur noch Stunden, bis der Turm über uns zusammenfällt.« Er klang vollkommen ungerührt, beinahe entspannt, als hätte er eine beiläufige Bemerkung über ein interessantes Phänomen gemacht.
»Was sollen wir tun?«, fragte ich, bemüht um eine feste Stimme und einen ebenso pragmatischen Tonfall. Doch in meinem Magen machte sich Übelkeit breit.
»Wenn ich ein Dutzend Pfeile hätte, könnte ich die Arbeiten ein wenig verzögern«, überlegte Robin. Dann zuckte er mit den Schultern. »Eines sage ich dir, Alan. Wir werden uns nicht selbst das Leben nehmen.« Er schenkte mir ein Grinsen, das ich so tapfer wie nur möglich erwiderte.
Sir John Marshal war zu keinen weiteren Verhandlungen bereit, auf die ich insgeheim gehofft hatte, wie ich gestehen muss. Anscheinend wollte er bei seinem Wort bleiben, denn als die Sonne am höchsten stand, flog das erste Wurfgeschoss der Mangonel beinahe gemächlich durch die Luft und schlug mit einem kreischenden Krachen in die untere Wand des Turms ein. Das Gebäude erbebte. Ich hatte noch zugesehen, wie Leute aus der Stadt unter Anleitung eines Trupps Soldaten den gewaltigen löffelförmigen Wurfarm nach hinten zogen, einen Felsbrocken in die Schale luden und dann die Seile losließen, die den Arm festgehalten hatten.
Es gab nur einen Hoffnungsschimmer: Sie schienen sehr lange zu brauchen, um die Mangonel zu laden, vielleicht weil die Leute als Zivilisten keine Übung darin hatten. Außerdem waren offenbar die Wurfgeschosse knapp. Doch die Felsbrocken, die sie abschossen, zeigten verheerende Wirkung an dem Turm. Bis zum Nachmittag waren ihnen fünf Treffer gelungen. Eine Ecke des Gebäudes, wo riesige Holzsplitter herausgebrochen waren, war etwas abgesackt. Ein schmales Fenster im zweiten Stock war zu einer viel größeren Öffnung zerschossen worden, die wir hastig mit Brettern vernagelten. Und ein sehr hoher Schuss hatte einen Teil der Brustwehr zerschmettert, vom Burghof aus gesehen rechts. Das Geschoss hatte zwei Männer auf der Stelle getötet, das Dach und die zwei Stockwerke darunter durchschlagen und eine Frau verstümmelt, die gerade im Erdgeschoss Essen zubereitet hatte.
Dann, dem Himmel sei Dank, hörte das Bombardement auf. Die Männer, die die tödliche Belagerungsmaschine bedienten, saßen untätig herum und tranken aus einem großen Bierfass, das ihnen gebracht worden war. Nach einer Weile begannen sie, in trunkener Heiterkeit herumzualbern und den Juden im Turm ihre nackten Hinterteile zu zeigen. Da wurde mir klar, dass ihnen die Geschosse ausgegangen waren. Hoffnung keimte in mir auf – vielleicht würden sie heute keinen weiteren Schaden mehr anrichten –, um sogleich wieder zu verdorren, als ein großer Karren voll mächtiger Steine durch das Burgtor gerumpelt kam. Die Männer machten sich an die Arbeit, der Wurfarm wurde mit starken Tauen nach hinten gezogen, ein Stück grauer Fels in die Schale gelegt, die Taue wurden gelöst, und ein weiterer Brocken zu Stein gewordener Hass krachte in unsere Festung. Und noch einer. Und noch einer.
Nun stürzten bei jedem Treffer zersplitterte Balken und Bohlen herab, und ein weiteres Loch klaffte in der Wand rechts über der eisenbeschlagenen Tür. Wir deckten es so gut wie möglich ab, mit einem großen Tisch aus Eichenholz und ein paar Bänken, doch während ich schwitzend die schweren Möbel dorthin hievte, war mir bewusst, dass ein einziger Treffer an dieser Stelle das Loch mit Leichtigkeit wieder aufsprengen würde. Wie Robin
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