Der Kreuzfahrer
Dieb, und erschlugen ihn mit Knüppeln und Steinen. Der König erlaubte uns nicht, Rache zu nehmen, und ich wurde – zu Unrecht, wie ich fand – von Robin getadelt, weil ich zugelassen hatte, dass einer seiner Männer allein herumlief.
In Salerno, wo wir mehrere Tage lang verweilten, erhielten wir endlich gute Neuigkeiten. Der Hauptteil der Flotte hatte Marseille erreicht, wegen Ausbesserungsarbeiten eine Woche dort zugebracht und näherte sich nun rasch Messina. Frohen Herzens stachen wir von Salerno aus in See, und als von den schnellen Erkundungsschiffen die Nachricht kam, sie hätten die große Flotte gesichtet, brachen wir alle spontan in Jubel aus. So waren nun all unsere Kräfte wieder vereint, und ich nahm an, dass wir nach einem kurzen Aufenthalt in Messina mit frischen Vorräten und reichlich Trinkwasser ins Heilige Land aufbrechen würden. Vor Glück schlang ich die Arme um mich. Wenn Gott wollte, so dachte ich, könnte ich dieses Weihnachten vielleicht sogar die heilige Messe in Jerusalem feiern. Doch wie sich herausstellen sollte, hätte meine Hoffnung irriger kaum sein können.
Fast zwei Tage vergingen, bis alle in Messina von Bord gegangen, sämtliche Schiffe entladen waren und König Richards Quartiermeister Unterkunft für fünfzehntausend Mann gefunden hatten. Um seine Stärke und Entschlossenheit deutlich zu machen, besetzte König Richard umgehend das Kloster San Salvatore, das er fortan als Hauptquartier und zentrales Vorratslager für seine riesige Armee beanspruchte. Die Leibwache des Königs beförderte die verdutzten griechischen Mönche freundlich, aber bestimmt hinaus, das Kloster füllte sich zusehends mit Bündeln und Truhen und Bergen von Waffen, und die kräftigen Stimmen großer, energischer Männer hallten von den Mauern wider.
Robins Truppen wurde ein weites Gelände nördlich des Palastes, nah an der felsigen Küste, als Lagerplatz zugewiesen, der dank eines Flüsschens reichlich Wasser zum Trinken und Waschen bot. Wir schlugen unsere Zelte auf und gaben uns dann daran, unsere salzwassergetränkte Kleidung so gut wie möglich zu trocknen, indem wir sie auf Büschen und kümmerlichen Olivenbäumen ausbreiteten. Wir ölten unsere Waffen, rasierten uns zum ersten Mal seit Wochen und wuschen uns endlich das Salz aus dem lang gewachsenen Haar. Einige Männer gingen hinunter in die Altstadt, um Brot, Käse, Oliven und Obst zu kaufen, andere machten sich auf die Suche nach Frauen, und wieder andere vertrieben sich die Zeit mit Spielen, Trinken und Schlafen, während wir auf neue Befehle warteten. In der letzten Septemberwoche machte ein beunruhigendes Gerücht unter den Männern die Runde: Wir hatten die Schifffahrtssaison verpasst – unsere Flotte würde das stürmische Mittelmeer erst im Frühling wieder überqueren können. Also würden wir Weihnachten dieses Jahr nicht in Jerusalem feiern.
Nun veränderte sich unser Lager fast über Nacht. Bäume wurden gefällt und herangeschleppt, und die Männer machten sich daran, dauerhaftere Unterkünfte zu errichten als unsere dünnen Segeltuchzelte: Sie bauten Hütten mit Wänden aus geflochtenen Zweigen und Lehm und Dächern aus Grassoden oder doppelt gelegtem, geöltem und gewachstem Segeltuch. Es entstanden Zeltanbauten und sogar kleine Häuschen mit strohgedeckten Dächern und Wänden aus Holzplanken. Binnen einer knappen Woche ähnelte unser Zeltlager eher einer Dorfschaft, und das Gleiche geschah überall im Norden von Messina, denn sämtliche Kontingente der Armee rüsteten ihre Unterkünfte wetterfest aus. Feuerholz wurde knapp, und bald mussten die Männer meilenweit über die steilen Hänge in die Berge hinaufsteigen, um auch nur ein Bündel Reisig zum Kochen zu sammeln.
Als der erste schwere Herbstregen einsetzte, schlug die Stimmung im Lager um. Die Händler in der Altstadt hatten die Preise für Brot und Wein mittlerweile verdoppelt, zum großen Ärger der Männer. Ein Pfund Trockenfisch kostete jetzt einen Shilling, ein wahrhaft ungeheuerlicher Preis, und sogar frischer Fisch wurde knapp. Viele der Männer versuchten von den Schiffen im Hafen aus ihr Glück mit Angelleinen. Es gab nicht viel zu tun, obwohl John mindestens einmal am Tag Kampfübungen für seine Spießträger abhielt, die Bogenschützen Zielscheiben aufstellten und Sir James jeden Morgen mit seiner Kavallerie hinausritt, um sie ein paar Stunden lang in den Bergen zu drillen. Doch die meiste Zeit über waren die Männer mit nichts anderem beschäftigt,
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