Der Kreuzfahrer
und bald trafen wir uns abends auf einen geselligen Krug Wein in einer Schenke in der Altstadt Messinas, wo wir Geschichten erzählten und uns gegenseitig Teile unserer neuen Kompositionen vorspielten. Besonders mochte ich Ambroise, einen lustigen kleinen Gesellen, fast so breit wie hoch, mit dicken, leuchtend roten Wangen, blitzenden schwarzen Augen, die an einen Vogel erinnerten, und einem beinahe boshaften Witz. Er war Normanne aus Evrecy bei Caen, ein unbedeutender Lehnsmann von König Richard. Er komponierte nicht nur Musik zur Unterhaltung seines Herrn, wie er mir erzählte, er schrieb darüber hinaus an einer Geschichte des Heiligen Krieges. Ich begegnete ihm zum ersten Mal am Rand des überfüllten Hafens. Er war über eine Tafel gebeugt und kratzte mit Kreide darauf herum.
»Was reimt sich auf ›der Fahrt Gestirne‹?«, fragte er mich unvermittelt und verdrehte den fetten Hals, um mich anzusehen. Es überraschte mich, dass er meine Anwesenheit überhaupt bemerkt hatte. Ohne nachzudenken, antwortete ich: »Hafendirne.« Er lachte, wobei sein ganzer kleiner, runder Körper vor Heiterkeit bebte, und keuchte: »Bewundernswert, dieser flinke, schmutzige Verstand, aber das ist wohl kaum ein geeigneter Ausdruck für ein Gedicht auf die glorreiche Ankunft unseres Königs in Messina. Du bist Alan, der Trouvère des Earl of Locksley, nicht wahr? Ich habe gehört, du sollst recht gut sein für einen so jungen Burschen. Ich bin Ambroise, Trouvère des Königs. Teils Poet, teils Sänger, teils Historiker – und ganz Gourmand.« Er klopfte sich den ausladenden Bauch und lachte erneut.
Von diesem Tag an waren wir gute Freunde.
Unsere Ankunft in Messina war jedoch nicht durchwegs so glorreich gewesen, wie Ambroise oder der König gehofft hatten. Die örtliche Bevölkerung war eine bunte Mischung: hauptsächlich Griechen, mit einer Prise Italiener, einigen Juden und sogar ein paar Arabern – und sie alle hassten uns. Bei unserer Ankunft am Hafen hatte es Schmährufe und Gejohle in der Menge gegeben, so laut, dass sie die Fanfarenstöße beinahe übertönten. Es flog sogar das eine oder andere Stück faules Obst. Fäuste wurden gegen uns geschüttelt, und König Richard war furchtbar wütend, mit kalkweißem Gesicht und Zornesblitzen in den blauen Augen. Er hatte seine Macht und Erhabenheit demonstrieren wollen und angenommen, dass sein messinisches Publikum – von Little John schnell Mistinier getauft – sich angemessen beeindruckt zeigen würde. Das war ein Irrtum. Man betrachtete uns wohl als irgendetwas zwischen einer Besatzungsmacht und einem Haufen ausländischer Bauernlümmel, die man nach Belieben berauben und beleidigen konnte. Aber ich muss gestehen, die Abneigung war ganz beiderseits. Wir nannten die Griechen abschätzig »Griffonen« und die Italiener »Lamparten«. Die Araber, von denen viele Sklaven waren, ignorierten wir, denn sie waren nicht einmal unsere christliche Verachtung wert.
Ambroise hatte die Ehre, an einem strahlenden Oktobermorgen im Kräutergarten des Klosters San Salvatore die musikalischen Festlichkeiten zu eröffnen. Das Wetter hatte sich gebessert, und es war ein beinahe warmer, sonniger Tag, der Himmel blassblau und mit flauschigen Wolken durchzogen. Ambroise begann mit einer einfachen und eigentlich melancholisch gestimmten Weise über einen Ritter, der wehmütig von seiner Geliebten Abschied nimmt. Das war kaum ein originelles Thema. Da mein Freund nun schon lange tot ist, kann ich mir eingestehen, dass Ambroise kein besonders talentierter Trouvère war, möge Gott seiner fröhlichen Seele gnädig sein. Er hatte durchaus eine schöne Stimme, aber seine Kompositionen waren selten inspirierend. Und gelegentlich, so vermute ich, bediente er sich auch bei den Ideen anderer. Einmal gestand er mir, dass er all die musikalischen Konventionen des Troubadour-Stils, der sich immer nur um unerwiderte Liebe drehte, schrecklich langweilig fand. Ihn interessierte am meisten die Dichtkunst, besonders Epen, die dramatische Ereignisse wiedergaben. Er redete wieder einmal über seine Geschichte des Großen Kreuzzuges. Auf diesem Thema ritt er ständig herum, wenn er in unserem Lieblingsgasthaus in der Altstadt einen über den Durst getrunken hatte.
Soweit ich mich erinnere, fing Ambroise’ Lied so an:
Fahr hin, meine Freude
Der Schmerz sei willkommen,
solange mir meine Dame genommen …
Trostlos, ohne Zweifel. Und es war schwer, sich den runden kleinen Ambroise als
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