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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Tankred, und mit fünfzehntausend Mann im Rücken und mehr auf dem Weg hierher besaß er schlagende Argumente. Manche – unter anderem Robin, der jedoch stets so dachte – hielten Richards Bluttaten in den folgenden Stunden für nichts als einen weiteren Schachzug in diesem Zwist, mit dem er den König von Sizilien zur Zahlung zu zwingen versuchte.
    Als die letzten Noten von Ambroise’ Lied verklangen und die Höflinge verhalten Applaus spendeten, verdeckte eine kleine Wolke die Sonne, und ich konnte die wahre Kälte des Oktobers in der Luft spüren. Ich stand auf, ergriff mein Instrument und verbeugte mich tief vor den beiden Königen, denn ich sollte als Nächstes aufspielen. Wie Robin vorgeschlagen hatte, blieb ich bei Traditionellem: Ich trug die klassische Tragödie von Tristan und Isolde ganz wunderbar vor, wie ich finde, und begleitete mich dabei auf der Vielle mit einer einfachen, aber sehr aparten Melodie, die mir erst am Morgen eingefallen war. Es mag nach der Prahlerei eines alten Mannes klingen, aber ich schwöre, dass ich echte Tränen in König Richards Augen sah, als der letzte ergreifende Ton verklang.
    Der nächste Künstler war ein alter Freund von König Richard, ein ergrauter Krieger um die fünfzig, der von den anderen Höflingen gehasst wurde und als Bertran de Born, Viscount von Hautefort, bekannt war. Er stand in dem Ruf, seine Dienerinnen zu vergewaltigen und bei jeder Gelegenheit zwischen den großen Fürsten Europas Unfrieden zu stiften. Er stand auf und schmetterte ein unbegleitetes Lied über den Ruhm des Krieges, mit klirrenden Äxten, geborstenen Schilden, eingeschlagenen Köpfen und durchbohrten Leibern, das mit den Worten endete: »Geht schnell zu Ja-und-Nein und sagt ihm, es gibt zu viel Frieden.« Das Gedicht war sogar recht gut, ein bisschen altmodisch zwar, aber auf morbide Weise komisch und sehr mitreißend. Und sosehr ich den Ruf des Alten als Unruhestifter missbilligte, seine Darbietung war tadellos.
    Den Spitznamen »Ja-und-Nein« hatte Bertran dem König gegeben, wohl begründet durch dessen angebliche Unentschlossenheit als junger Mann. Den König störte er nicht, aber die beiden kannten sich auch schon seit langer Zeit. Später fragte ich mich, ob Richard und Bertran sich heimlich abgesprochen hatten, denn sobald das Lied vorbei war, stürmte ein Ritter in den Garten und platzte ohne Umstände heraus: »Die Griffonen lehnen sich auf. Sie greifen Hugh de Lusignan an!«
    Hugh war einer der Barone von Aquitanien, ein Vasall König Richards und Mitglied einer einflussreichen Familie, zu der ein Anwärter auf den Thron von Jerusalem gehörte. Hugh hatte wohl unklugerweise ein komfortables Quartier in der Altstadt von Messina bezogen, ungeachtet der großen Spannungen zwischen Pilgern und Einheimischen.
    »Was!«, brüllte der König und sprang auf. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass er tatsächlich sehr aufgebracht klang.
    »Hoheit«, sagte der Bote, »den ganzen Morgen über gab es Ärger. Unverschämtheiten von den Sizilianern, und unsere Wachen wurden mit Steinen beworfen. Dann brachen die ersten Kämpfe aus, und nun hat eine große Truppe bewaffneter Griffonen Lusignans Haus umstellt. Sie wollen es stürmen und alle erschlagen.«
    »Bei Gottes Beinen, das ist zu viel«, rief der König. »Zu den Waffen, meine Herren, zu den Waffen! Wir bringen diesen aufständischen Hunden Respekt für die heiligen Pilger Christi bei.«
    Er winkte Robin, Robert of Thurnham, Richard Malbête und die anderen Ritter zu sich. »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagte er. »Bewaffnet euch und sammelt so viele Männer, wie ihr könnt. Wir nehmen diese Stadt schneller ein, als ein Priester für die Mette braucht. Zaudert nicht: Zu den Waffen! Und Gott möge uns alle schützen.«
    Dann schritt der König hinüber zu Philip, der noch auf seinem Stuhl saß, umgeben von seinen Rittern. »Cousin, wirst du mich begleiten, wenn wir diese anmaßenden Hundesöhne niederwerfen?« Philips Gesicht war ausdruckslos. An seinem verkrampften Kiefer sah ich, dass er wütend war. Vermutlich verdächtigte er Richard ebenfalls, all das geplant zu haben. Doch er schüttelte nur den Kopf und schwieg. Richard starrte ihn einen Moment lang an, nickte dann, drehte sich um und verließ den Garten.
     
    Richards Angriff war außerordentlich schnell und heftig. Eine Stadt von über fünfzigtausend Seelen mit nur einer Handvoll Ritter anzugreifen, mag wohl waghalsig erscheinen, aber es stellte sich als

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