Der Kreuzfahrer
tiefbetrübten Bauernburschen vorzustellen, wie er sich später im Lied beschrieb, der aus Liebe zu seiner entschwundenen Dame nicht essen noch trinken konnte. Aber vielleicht irre ich mich: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich den geschwollenen Versen meines Freundes wenig Beachtung schenkte und stattdessen sein Publikum studierte. König Richard saß auf dem Ehrenplatz neben seinem königlichen französischen Gast. Richard war ein großer Mann, muskulös und stark, seine Hände zitterten jedoch leicht, wenn er nervös oder aufgeregt war. Mit dreiunddreißig Jahren war er im besten Alter. Sein rotgoldenes Haar wirkte wahrhaft königlich, es glänzte und schimmerte im frischen Morgenlicht. Sein Teint war hell und ein wenig von der Sonne verbrannt, der Blick seiner blauen Augen offen und fest. Er genoss den Ruf eines herausragenden Kriegers, und es hieß, er liebe nichts so sehr wie einen guten, blutigen Kampf. Richards Persönlichkeit entsprach dem, was Tuck als einen »heißen« Mann bezeichnet hätte. Seine Wut lauerte stets dicht unter der Oberfläche, und wenn er gereizt wurde, bot er einen furchteinflößenden Anblick.
Der französische König an seiner Seite, Philip Augustus, hätte gegensätzlicher kaum sein können. Er war blässlich und dunkelhaarig, sehr dünn, ja fast gebrechlich wirkend mit seinen riesigen, glänzenden Augen. Trotz seiner gerade einmal fünfundzwanzig Jahre war sein Rücken so krumm wie der eines alten Mannes. Tuck hätte ihn als »kalten« Mann bezeichnet, der seine wahren Gefühle hinter einer Wand aus Eis verbarg. Richard und Philip waren in ihrer Jugend enge Freunde gewesen, manche behaupteten sogar, dass der junge Richard in Philip vernarrt gewesen sei. Aber ihre Haltung auf den gepolsterten Stühlen im lieblich duftenden Kräutergarten zeigte deutlich, dass die beiden Könige einander kaum mehr leiden konnten.
Ebenfalls anwesend waren Robin und einige der anderen wichtigen Befehlshaber, einschließlich Robert of Thurnham. Ich hatte den Ritter im vergangenen Jahr in Winchester kennengelernt, wo er mir geholfen hatte, den Klauen von Ralph Murdac zu entkommen. Er war nun ein sehr wichtiger Mann, kein Geringerer als Richards Großadmiral, und ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, unsere Freundschaft über ein kurzes Lächeln und Nicken hinaus zu erneuern.
Neben Sir Robert saß Sir Richard Malbête. Die Bestie hatte eine frische rosa Narbe, die sich über die ganze rechte Seite seines Gesichts hinabzog, wie ich mit großer Befriedigung feststellte. Ansonsten schien er bedauerlicherweise unverändert. Seine weiße Stirnlocke und die wie von Splittern durchzogenen wilden Augen entsprachen noch genau meiner Erinnerung, aber er schien mich völlig vergessen zu haben, denn als sich unsere Blicke kurz trafen, zeigte sich in seinem ausdruckslosen, tierhaften Gesicht keinerlei Regung. Ich hielt es für unklug, ihn anzustarren, daher sah ich schnell wieder weg.
Darüber hinaus waren im Garten eine Handvoll französischer Ritter zugegen, eine Schar einheimischer Prälaten sowie König Tankreds Statthalter von Messina, zwei Kerle namens Margarit und Jordan del Pin. Diese beiden kostbar gewandeten Ritter wirkten nervös und zwielichtig, sprachen kaum ein Wort und beobachteten die beiden Könige unablässig und argwöhnisch mit dunklen, schmalen Augen.
Die Statthalter hatten allen Grund, nervös zu sein. Richard und Tankred lagen in heftigem Streit um Geld. Ich habe die Verwicklungen nie vollständig begriffen, aber anscheinend hatte Tankreds Vorgänger Richards Vorgänger eine große Summe Geld versprochen, um die große Fahrt ins Heilige Land zu unterstützen. Beide waren nun tot, aber Richard bestand darauf, dass Tankred das Versprechen des alten Königs Wilhelm einhielt. Dann war da noch die Sache mit Richards Schwester Joanna: Sie war mit Wilhelm verheiratet gewesen, und als Tankred nach dessen Tod den Thron bestieg, hätte sie eine große Summe Geldes erhalten sollen, als Witwengedinge, sowie die Freiheit zu leben, wo sie wollte. Stattdessen hatte Tankred das Geld einbehalten und sie festgesetzt, beinahe wie eine Gefangene.
Als Richard mit seiner riesigen Armee auf Sizilien eintraf, bekam Tankred es mit der Angst zu tun, ließ Joanna frei und schickte sie mit einer geringeren Geldsumme zu Richard. Inzwischen weilte sie sicher und sehr komfortabel jenseits der Straße von Messina auf dem Festland im Kloster von Bagnara. Richard forderte immer noch den Rest des Geldes von
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