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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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offensichtlich brutaler Männer zu tun. Ich zögerte wie ein erbärmlicher Feigling. War es meine Pflicht, diese Frau zu retten? Sie war legitime Kriegsbeute, ein Feind. Mein eigener König hatte befohlen, sie wie alle in dieser Stadt zu bestrafen. Da fiel mir etwas ein, das ich Jahre zuvor von Robin gehört hatte. Damals hatte ich es nicht verstanden, seither aber oft darüber nachgedacht. Er hatte zu mir gesagt: »Richtig und Falsch sind selten klar zu trennen. Die Welt ist voller böser Menschen. Aber wenn ich herumlaufen und jeden bösen Menschen bestrafen wollte, der mir begegnet, hätte ich keinen Augenblick Ruhe mehr. Und selbst wenn ich mein ganzes Leben lang Menschen für ihre Untaten bestrafen würde, könnte ich damit das Glück auf dieser Welt kein bisschen mehren. Das Böse auf der Welt ist unerschöpflich. Ich kann nichts weiter tun, als jene, die mich darum bitten, die ich liebe und die mir dienen, davor zu schützen.«
    Wenige Stunden später hatte er befohlen, einen gefangenen Briganten, einen üblen Kerl namens Sir John Peveril, auf einer Waldlichtung ausgestreckt festzubinden. Dann hatte er ihm kaltblütig beide Beine und einen Arm abhacken lassen, und das vor Peverils zehnjährigem Sohn. Der Mann hatte es überlebt, wurde mir später erzählt, sofern man ihn denn noch als Mann bezeichnen konnte: Er bestand nur noch aus Rumpf, Kopf und einem Arm. Mein Herr ließ auch den Sohn am Leben, aber nicht etwa aus Mitleid oder Gnade, sondern damit der Junge die grausige Geschichte weitererzählte.
    Jetzt verstand ich, was Robin mit seiner kleinen Rede über Richtig und Falsch gemeint hatte: Diese Frau bedeutete mir nichts, warum sollte ich also meinen Hals riskieren, um sie zu retten? Aber ich wusste auch, was in dieser Lage das Richtige gewesen wäre. Ich wusste, was ein wahrhaft ritterlicher Mann getan hätte. Leider war der Feigling in mir zu stark, und während ich noch innerlich über Richtig und Falsch philosophierte, trottete Ghost vernünftigerweise an der Seitenstraße vorbei. Ich ergab mich meiner schwachen Seite und ritt weiter, wobei ich mich für meine Feigheit verfluchte.
    Als ich das Haus erreichte, in dem Reuben Unterkunft bezogen hatte, sah ich gleich, dass niemand zu Hause war. Die Tür war mit schweren Brettern vernagelt, und nicht der kleinste Lichtstrahl drang durch die massiven Fensterläden auf die dunkle Straße. Reuben hatte wahrscheinlich geahnt, dass es Ärger geben würde, und sich irgendwo außerhalb der Stadt in Sicherheit gebracht. Während ich mich also aus Sorge um ihn durch eine Stadt voll blutrünstiger, betrunkener Plünderer wagte, saß er wohl in irgendeinem gemütlichen Versteck nördlich von Messina mit Robins Männern beim Würfelspiel – und gewann zweifellos, so dachte ich verbittert.
    Ich wendete Ghost und ritt zurück zum Haupttor. Wie so oft nach einer Schlacht war ich melancholisch gestimmt. Ich war müde, mein Fuß schmerzte, wo der Stiefel einen Schwerthieb abbekommen hatte, und ich musste immerzu an das Mädchen denken, das von einem ganzen Dutzend zügelloser Männer vergewaltigt worden war. Ich ritt an einem breiten, zweistöckigen Holzhaus vorüber, dessen Tür in Splittern an den Angeln hing, als ich plötzlich einen langgezogenen Schrei des Entsetzens hörte. Die Stimme war die einer Frau, einer jungen Frau, meinte ich, und sie litt Todesangst. Diesmal zügelte ich Ghost, und da schrie sie wieder – ein ansteigender, heulender Schrei unsagbaren Grauens. Dann hörte ich einen Mann böse und hämisch lachen, und gleich darauf rief er jemand anderem einen höhnischen Scherz zu.
    Jetzt ließ ich mir keine Zeit zum Nachdenken. Ich saß ab, band Ghost an einen Pfosten, zog mein Schwert und betrat das Haus.
    Hier wohnte offensichtlich ein reicher Mann. Die große Wohnstube mit ihrer hohen Decke, die einmal ein prächtiger Raum gewesen sein musste, war vollkommen ausgeplündert. Mondlicht fiel durch die offenen Fensterläden herein, und ich sah kunstvoll verziertes Mobiliar in Trümmern herumliegen. Unschätzbar wertvolle Wandbehänge waren herabgerissen worden, und es stank erbärmlich nach Wein und Exkrementen – jemand hatte sich erst kürzlich in diesem vornehmen Gemach erleichtert, und ich ging davon aus, dass es nicht der Hausherr gewesen war. Im fahlen Mondschein konnte ich gerade noch den Leichnam eines sehr dicken Mannes in kostbaren Gewändern erkennen, der an der Wand in einer schwarzen Lache lag. Ich ignorierte den Toten und schlängelte mich

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