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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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durch die Trümmer seines Hauses zur Rückseite hin. Wieder hörte ich einen Schrei, doch diesmal endete er abrupt mit einem abscheulichen, blubbernden Gurgeln. Es hörte sich genauso an, als sei einer Frau die Kehle aufgeschlitzt worden.
    Ich trat durch eine Tür in einen Innenhof, der von zwei Fackeln in Wandhalterungen hell erleuchtet wurde. Und ich sah, dass ich in ein Schlachthaus geraten war. Auf dem Boden rann das Blut buchstäblich in Strömen durch die Fugen zwischen den Pflastersteinen. Zwei nackte junge Frauen lagen übereinander gekrümmt auf dem Boden, und ihre fülligen, weißen, leblosen Leiber erinnerten im flackernden Fackelschein an frisch geschlachtete Schweine. Ein drittes Mädchen hing schlaff an einem aufrechten, X-förmigen Gestell aus zwei Balken. Ich erkannte es als Peitschenstand und wusste, dass ich mich im Sklavenquartier eines Kaufmannshauses befand. Die junge Frau war unzweifelhaft tot. Obwohl sie mit dem Rücken zu mir hing, konnte ich sehen, dass ihre Kehle bis auf die Wirbelsäule durchgeschnitten war. Und der Mann, der sie eben getötet hatte, stand neben dem Gestell und gaffte mich überrascht an. Sie hatte Stichwunden im Gesäß und war ausgepeitscht und zweifellos vergewaltigt worden, ehe der Mann ihr das Leben nahm. Er trug einen Wappenrock in Scharlachrot und Himmelblau, bespritzt mit ihrem Blut und dem ihrer toten Schwestern. Und in der rechten Hand hielt er einen langen, verschmierten Dolch.
    Ich sprach kein Wort, sondern trat nur zwei Schritte auf ihn zu, wirbelte mein Schwert blitzschnell hoch und zielte auf seinen Kopf. Verzweifelt versuchte er, meinen Hieb mit seinem blutverschmierten Dolch zu parieren, der tatsächlich verhinderte, dass meine Klinge in seinen Schädel fuhr. Also tat ich einen weiteren Schritt nach vorn und rammte ihm das Heft meines Schwertes in den Mund. Zähne splitterten, die Lippen platzten auf, und der Mann ging zu Boden. Er starrte zu mir hoch und hatte gerade noch Zeit, den zerschmetterten Mund aufzureißen und auf Englisch zu schreien: »Herr, helft mir!«, ehe ich ihm die Schwertspitze durch die Kehle rammte und ihn für immer zum Schweigen brachte.
    Ich trat von ihm zurück. In meiner blinden Wut hätte ich seinen Leichnam in blutige Stücke hauen mögen – doch ich schaffte es, mich zu beherrschen. Ich hatte ihn ermordet, und obgleich ich das keinen Augenblick lang bereute, wusste ich, dass ich sofort von hier verschwinden musste. König Richard hatte geschworen, jeden hinrichten zu lassen, der einen Pilgerbruder tötete. Auf der Überfahrt von Marseille hatte er einen Mörder an sein Opfer binden und über Bord werfen lassen. Ich neigte den Kopf zur Seite: Hörte ich da jemanden singen? Das musste ich mir eingebildet haben. Ich sah mich rasch um, schon zum Gehen gewandt, und entdeckte ein viertes Mädchen, das sich in einer Ecke gefesselt, geknebelt und splitternackt an die mit Schatten gesprenkelte, gekalkte Mauer drückte. Das Geschöpf war so reglos und weiß, dass es vor der Wand kaum auszumachen war. Doch als ich hinüberging, sah ich, dass die Augen riesig und dunkel waren vor Angst. Das schimmernde schwarze Haar fiel über einen nackten Rücken fast bis hinab zu der zarten, schmalen Taille. Obwohl die junge Frau starr war vor Entsetzen und ich bis zu den Knöcheln in Blut, Pein und Tod stand, sah ich, dass sie sehr schön war – außerordentlich schön. Aber sie hatte gesehen, wie ich den Waffenknecht getötet hatte. Sie war eine Zeugin. Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf: Ich wusste, was Robin unter solchen Umständen tun würde. Sie war Zeugin eines Kapitalverbrechens – sie musste sterben. In unseren Tagen als Gesetzlose im Sherwood hatte Much, der Müllerssohn, einmal einen unschuldigen jungen Pagen getötet, weil dieser Zeuge geworden war, wie Little John jemanden ermordet hatte. Much hatte sogar damit geprahlt, bis ich ihm angeboten hatte, ihm das Maul zu stopfen, falls er es nicht endlich halten konnte. Ich wusste also, was Robin mir in seiner Gewissenlosigkeit geraten hätte. Aber ich war nicht Robin.
    Ich ging hinein in die gute Stube, hob einen seidenen Wandbehang, der einigermaßen sauber aussah, vom Boden auf und brachte ihn hinaus in den Hinterhof. Die junge Frau hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Ich durchtrennte die Stricke, mit denen sie gefesselt war, und wickelte sie in die lange Seidenbahn. Die ganze Zeit über starrte sie mich mit diesen riesigen, wunderschönen Augen an. Ich glaubte im oberen

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