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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Stockwerk schwere Schritte von Stiefeln zu hören und redete der jungen Frau sanft zu, sie möge sich beeilen. Aber offenbar verstand sie mich nicht. Mit Gesten und Fingerzeigen gelang es mir schließlich, ihr meine Eile mitzuteilen und ihr begreiflich zu machen, dass wir das Haus verlassen mussten – schnell!
    Ein Dutzend Herzschläge später hatte ich sie hinaus auf die Straße geführt. Jetzt konnte ich eindeutig betrunkenen Gesang hören: zweifellos Soldaten auf der Suche nach einer weiteren Frau, die sie schänden, einem weiteren Haus, das sie plündern konnten. Und die Stimmen kamen näher. Ich wollte die junge Frau auf mein Pferd setzen und so schnell wie möglich von diesem grausigen Schlachthaus fortbringen, und ich spürte nahende Gefahr so deutlich, dass ich eine Gänsehaut bekam. Doch sie fürchtete sich offenbar sehr davor, dass der Wandbehang sich lösen und sie entblößen könnte, und weigerte sich, auf Ghost zu steigen, ehe sie anständig bedeckt war. Also schnitt ich ein Loch für ihren Kopf in die lange Seidenbahn und schnitt an einem Ende einen Streifen ab, der als Gürtel dienen sollte. Als ihr Kopf aus dem Schlitz ragte und sie den unschätzbar wertvollen Stoff fest um ihre Taille gegürtet hatte, war sie endlich bereit, sich aufs Pferd heben zu lassen.
    Ich hatte sie gerade in den Sattel gesetzt, als hinter mir eine tiefe Stimme, die ich schon einmal gehört hatte, gedehnt sprach: »Du hast meinen Waffenknecht getötet, Sängerknabe. Du hast meinen Wachhauptmann ermordet!« Die Stimme klang leicht gereizt, nicht empört und zornig. Ich wirbelte herum, das Schwert in der Hand, und in der Haustür ragte die große Gestalt von Sir Richard Malbête auf. Vier Soldaten mit Fackeln spähten hinter ihm auf die Straße heraus. »Und ich habe nicht vergessen, von wem ich die hier habe«, fuhr die Bestie fort und strich mit einem Finger die rote Narbe an der Wange entlang. »Ich habe dir nicht verziehen, Sängerknabe, und auch an das Narrenstück deines judenverliebten Herrn in York erinnere ich mich nur zu gut«, grollte er. Seine wilden Augen glitzerten irre im Schein der Fackeln. »Du und dein sogenannter Earl of Locksley werdet jetzt einen hübschen Preis dafür bezahlen, dass ihr mich einmal mehr um mein Vergnügen gebracht habt.«
     
    Ich glaube nicht, dass ich Angst empfand, als ich Malbête mit seinen vier Männern dort stehen sah – eine Übermacht, gegen die ich einen Kampf wohl nicht überleben konnte. Hass war es auch nicht, obgleich ich so lange davon geträumt hatte, ihn zu töten. Stattdessen spürte ich eine eigenartige Ruhe, eine Art losgelöste Klarheit. Ich war mir meines Körpers sehr bewusst, meiner Haltung, des Schwertes in der Rechten, den linken Fuß leicht vor den rechten gestellt, und ich überlegte mir genau, wie ich vorgehen würde, wenn der Kampf begann. Als Erstes musste ich die junge Frau fortschaffen. Sie saß fest in Ghosts Sattel, die nackten Füße in den Steigbügeln, und machte ganz den Eindruck, als könne sie reiten. Ein kräftiger Klaps auf Ghosts Rumpf, und er würde davongaloppieren. Ich war zuversichtlich, dass Ghost sie außer Gefahr bringen würde.
    Es ist seltsam, dass meine ersten Gedanken ihr galten. Ich kannte sie kaum, ich war nicht in sie verliebt – ich sah, wie schön sie war, ja, doch sie bedeutete mir nichts. Dennoch war mein erster Impuls, sie in Sicherheit zu bringen, und sollte es mich das Leben kosten. Gottes Wege sind wahrhaftig unergründlich.
    Mein nächster Gedanke war, dass meine Gegner tatsächlich zu zahlreich waren, um vernünftig gegen einen Mann kämpfen zu können. Sie würden sich gegenseitig behindern, und sie standen zusammengedrängt hinter Malbête in der Tür. Folglich, so erkannte ich, musste ich vorwärts attackieren, auf sie zu, um den Kampf zu dieser Tür zu bringen. Wenn ich in der schmalen Öffnung stand, konnten mich höchstens zwei Männer gleichzeitig angreifen, bis einer von ihnen etwa auf die Idee kam, aus dem Fenster zu klettern und mich von hinten zu attackieren. Dann wäre ich wahrscheinlich verloren. Aber wenn es mir gelang, die Tür einige kostbare Augenblicke lang zu halten, würde das Mädchen Zeit haben, zu entkommen.
    Also. Jetzt. Setz dich in Bewegung, Alan: Erst dem Pferd mit der Linken einen Schlag versetzen, dann ein Angriff auf Richard Malbêtes Kopf, um ihn zurückzudrängen, dann in die Tür vorrücken und sie so lange wie möglich halten. Der Gesang wurde lauter, die Stimmen erklangen jetzt in

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