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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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sie ein, durchpflügten die wankenden Reihen verängstigter Männer und entfesselten in der alten, einst so friedlichen Stadt Messina die Hölle auf Erden.

Kapitel 9
    D ie Plünderung einer Stadt ist nie hübsch anzuschauen. Aber diese gehörte zu den schlimmsten, die ich je gesehen habe. König Richard hatte zur Verwüstung aufgerufen und damit seinen Männern völlige Freiheit gewährt, nach Herzenslust zu rauben, zu schänden und zu morden. Es gab kein Pardon, und alles in dieser Stadt gehörte nun den siegreichen Kriegern. Richard bestrafte die Stadt damit für ihre Unverschämtheit, für das faule Obst und die höhnischen Rufe, mit denen man ihn bei der Einfahrt in den Hafen empfangen hatte. Während die Kavallerie die letzten Verteidiger niederritt, stürmten dahinter schon brüllend die Bogenschützen und Fußsoldaten die Straßen, traten Türen ein, überfielen die Leute in ihren Häusern, plünderten sie aus, steckten die Gebäude oft aus purer Boshaftigkeit noch in Brand und töteten jeden, der sich ihnen entgegenstellte. Sie hatten es hauptsächlich auf Wein, Münzen und Frauen abgesehen – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Es war, als hätten sie samt und sonders den Verstand verloren, wie die Christen von York – sie waren vollkommen wild vor Lust und Grausamkeit und dem Drang nach Blutvergießen.
    Als die Sonne hinter den Hügeln im Westen versank, stand der Großteil der Stadt in Flammen, Blut und Wein rannen in den Gossen, und die Straßen waren mit Leichen übersät. Betrunkene Soldaten torkelten mit blanken Schwertern in der Hand durch die schwelende Altstadt, stolperten über die eigenen Füße und attackierten jeden Schatten. Sie waren auf der Suche nach Häusern, in denen noch etwas zu holen sein mochte, nach Frauen, nach einem weiteren Fass Wein. So mancher Waffenknecht oder Bogenschütze brach noch auf der Schwelle eines Hauses zusammen, berauscht und erschöpft von der Befriedigung all seiner Gelüste. Nicht wenige von diesen fand man am nächsten Morgen tot daliegen – Einheimische hatten ihnen die Kehlen aufgeschlitzt, um Rache für entjungferte Töchter zu nehmen, für Söhne, die in ihrem eigenen Haus niedergemetzelt worden waren, für geraubtes und zerstörtes Hab und Gut. Angst und Tod streiften durch die Dunkelheit, nur vom zuckenden Feuerschein erhellt, und die Bürger Messinas kauerten in ihren Kellern, versteckten sich hinter verbarrikadierten oder vernagelten Türen und beteten darum, dass dieser Alptraum ein Ende nehmen möge. Doch der Morgen würde noch eine Weile auf sich warten lassen, und die Begierden der siegreichen Soldaten waren noch lange nicht erlahmt.
    König Richard und die Ritter seines Gefolges, darunter auch mein Herr Robin, waren unterdessen zu Hugh de Lusignans Haus geritten. Er war kaum in Gefahr, denn er hatte sich mit zwanzig Bewaffneten in dem zweistöckigen steinernen Gebäude gut verschanzt. Ein Dutzend Griffonen lagen tot vor seiner Tür. Der König begrüßte Hugh mit einer förmlichen Umarmung – immerhin hatte er Messina vorgeblich deshalb angegriffen, weil er seinen Gefolgsmann verteidigen musste. Danach zog Richard sich mit seinen Rittern in das Kloster auf der Anhöhe zurück, wo alle ihre Kratzer verbanden und gemeinsam ihren Sieg feierten. Ich glaube, Robin begleitete seinen Lehnsherrn eher unwillig – immerhin war das seine Pflicht. Aber ich hatte ganz deutlich das Gefühl, dass er lieber einen lukrativen kleinen Raubzug in der brennenden Stadt unternommen hätte. Little John war längst verschwunden, wahrscheinlich auf der Suche nach Reichtümern und Belustigung, und so blieb ich allein zurück. Ich lenkte Ghost im Schritt eine schmale Straße entlang zwischen Leichen hindurch in Richtung des jüdischen Viertels. Ich wollte mich vergewissern, dass Reuben nichts zugestoßen war. Er konnte sich zwar sehr gut selbst verteidigen, doch die Erinnerungen an den letzten fanatischen Mob im Blutrausch, den ich in York erlebt hatte, machten mich nervös.
    Langsam ritt ich an einer dunklen Seitenstraße vorbei, und als ich einen Blick hineinwarf, sah ich ein Knäuel Soldaten, etwa ein Dutzend Männer, die sich gegenseitig anrempelten und miteinander zankten. Eine Frau lag auf dem Boden, und irgendein Rohling auf ihr, während die anderen warteten, bis sie an die Reihe kamen. Ich hielt inne, und ein Teil von mir wollte hinübergehen, sie retten und diese betrunkenen Ochsen verjagen. Aber ich war allein und hatte es mit einem Dutzend

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