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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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der Straße, auf der ich mich befand. Und kurz bevor ich meinen Angriff begann, der letztlich zum Scheitern verurteilt war, traf mich eine wunderbare Erkenntnis. Gott stand mir wahrhaftig bei: Ich kannte dieses Lied! Auf dem weiten Weg von England bis übers Mittelmeer hatte ich es unzählige Male gehört. Ein Lied auf Walisisch! Und die Männer, die es so oft sangen …
    »Na, so etwas, der junge Alan! Ich hoffe, du genießt diese großartige Nacht«, sagte Owain mit schwerer Zunge von zu viel Wein. »Willst du uns nicht etwas vorsingen?«
    Ich wandte langsam den Kopf, weil die Muskeln in meinem Nacken steif und hart schienen, und da stand Owain wie eine göttliche Heimsuchung vor etwa dreißig rotgesichtigen Bogenschützen. Zwar waren keine Sehnen auf die Bögen gezogen, und weinselig waren sie alle, doch jeder von ihnen trug ein Kurzschwert am Gürtel, und ich selbst hatte sie gelehrt, damit zu kämpfen. Gott sei Dank für Seine Gnade.
    »Schaut, Jungs, er hat eine Frau gefunden. Und, bei Gott, was für einen Leckerbissen«, rief einer der Bogenschützen. Seine trunkenen Kameraden brachten ihn rasch zum Schweigen. Nüchtern erwiesen sie mir für gewöhnlich großen Respekt.
    »Geht’s dir gut, Alan?«, fragte Owain. »Du bist ein bisschen blass um die Nase. Trink einen Schluck.« Er hielt mir ein Fläschchen hin.
    Ich drehte mich zu der Tür um. Sir Richard Malbête war verschwunden. Ein Stück weiter die Straße entlang bewegte sich ein Knäuel Waffenknechte in Scharlachrot und Himmelblau hastig von uns fort. Ich war es zufrieden, sie vorerst ziehen zu lassen.
    Ich ließ das Schwert in die Scheide gleiten. »Mir geht es gut, danke, Owain«, entgegnete ich. »Aber ich wäre dir dankbar, wenn du mir eine Eskorte stellen könntest, damit ich diese Dame ins Hauptquartier bringen kann. Heute Nacht treiben sich viele betrunkene Rabauken in der Stadt herum.« Ich hob den Kopf und bedachte den Haufen standfester, rotnasiger Männer, die mir zweifellos soeben das Leben gerettet hatten, mit einem strengen, tadelnden Blick. Und die Waliser kicherten fröhlich über meinen schwachen Scherz.
     
    Die Liebe ist vielleicht die seltsamste Erfahrung, die man als Mensch erlebt. Sie bietet die himmlischsten Augenblicke des Glücks, und dennoch weiß ich nicht recht, ob man sie als angenehm bezeichnen könnte, ist sie doch oft ein Quell großer Pein. Trotzdem streben wir unser Leben lang zu ihr hin wie Motten, angelockt von einer tödlichen Flamme. Binnen weniger Tage war ich verliebt in Nur, denn so hieß das Sklavenmädchen, das ich in jener Nacht aus dem prächtigen Haus in der Altstadt gerettet hatte.
    Für mich begann diese Liebe mit einer schrecklichen Begierde: Wenn ich ihren schlanken Leib betrachtete, ihre großen, dunklen Augen, ihre makellose Haut und die vollen, beinahe geschwollen wirkenden Lippen, dann wollte ich sie besitzen, umschlingen, küssen, sie mit meinem ganzen Körper umschließen, bis wir eins wurden. Ich meine nicht die derbe körperliche Vereinigung, in der sich gewöhnliche Männer und Frauen paaren – ich verwehrte es mir, sie auch nur zu berühren, was dumm von mir war. Jetzt weiß ich: Wenn man Liebe findet, sollte man sie mit beiden Händen festhalten und sie genießen, solange sie währt. Aber damals war ich jung, ich befand mich auf einer Pilgerfahrt und war von hehren, ein wenig kindischen Moralvorstellungen erfüllt.
    Meine Zurückhaltung hatte auch ganz praktische Gründe. Zunächst einmal fand ich keine Sprache, in der ich mich mit ihr hätte verständigen können – sie sprach weder Englisch noch Französisch oder Latein. Ich versuchte es sogar in der Langue d’oc, dem Südfranzösischen, König Richards Muttersprache, die auch viele Troubadoure beherrschten. Doch sie verstand in keiner dieser Sprachen ein einziges Wort. Es gelang uns nur durch Gesten und Blicke, einander mitzuteilen, dass ich Alan hieß und sie Nur, dass ich ihr Beschützer in diesem Lager war, dass sie stets dicht bei mir und meinem Diener William bleiben und nicht allein herumlaufen sollte. Sie sagte mir, sie sei »Filistini«, und ich nahm an, dass sie eine Araberin aus Outremer sei, vom biblischen Volk der Philister, doch wie sie als Sklavin in einen großen Haushalt auf Sizilien gekommen sein mochte, konnte ich mir nicht erklären.
    Als wir in der ersten Nacht das Kloster erreichten, machten William und ich uns auf die Suche und fanden saubere Frauenkleidung für sie, außerdem ein wenig Essen und Wein, Wasser und

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