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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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steter Strom von schwerbeladenen Männern mühte sich die steile Erdrampe zu der kleinen, eisenbeschlagenen Eichentür hinauf. Der Turm war die letzte Verteidigung und Zuflucht der Festung. Drohte ein Feind die Palisade zu erstürmen, so würden die Verteidiger sich in den Turm zurückziehen. Dieser war stets gut mit Vorräten ausgestattet, vor allem mit reichlich Trinkwasser und Bier in riesigen Fässern. Jetzt diente er als Lager für das Gepäck, das für das große Abenteuer zusammengetragen wurde. Darin stapelten sich Bündel von Pfeilen, Schwertern und Rohlingen für neue Bögen, Getreidesäcke, Weinfässer, Kisten voller Stiefel, dicke Ballen aus Decken … kurz, alles, was nötig sein würde, um vierhundert Krieger auf einer Reise von zweitausend Meilen bis ins Heilige Land zu ernähren, auszustatten und zu bewaffnen.
    Das Essen, das schon die ganze Zeit über so verlockend gerochen hatte, wurde endlich aufgetragen. Robin war noch immer nicht erschienen, und ich war ein wenig besorgt, denn ich konnte es kaum erwarten, ihm meine Neuigkeiten zu erzählen. Ich hoffte nur, dass er nicht in irgendeiner eiligen Sache hatte fortgehen müssen. Doch obwohl sein Stuhl mit der hohen Lehne leer war, trug eine ganze Reihe von Dienern die Speisen herein und stellte sie ohne weitere Umschweife auf den Tisch, woraufhin wir es uns alle schmecken ließen. Es gab große Terrinen voll heißer, dicker Gemüsesuppe und Platten mit Brot, Käse, Butter und Obst – aber kein Fleisch. Jetzt war Fastenzeit, und während wir auf Kirkton das übliche religiöse Verbot von Käse und Eiern ignorierten, verzichteten wir der Form halber meist auf Fleisch. Robin machte sich ohnehin nichts aus alledem und aß stets, was ihm beliebte.
    Ich füllte meine hölzerne Schüssel mit der kräftigen, köstlich duftenden Suppe. Mit einem Hornlöffel in der einen und einem großen Stück frischem Brot in der anderen Hand begann ich, meinen knurrenden Magen zu füllen.
    »Bei Gottes haarigem Hintern«, dröhnte eine vertraute tiefe Stimme, »unser fahrender Spielmann ist wieder da!« Ich blickte auf und sah Little John, der zum Gruß ein riesiges, altmodisches Trinkhorn in meine Richtung erhob. »Und du schaufelst diese Suppe in dich hinein, als hättest du seit einer Woche nichts mehr gegessen? Was gibt es Neues, Alan?«
    Ich erwiderte den Gruß mit meinem Becher. »Schlechte Neuigkeiten, fürchte ich, John. Sehr schlechte Neuigkeiten. Die Welt wird demnächst untergehen, wenn man den gelehrten Mönchen von Canterbury Glauben schenkt.« Ich schluckte einen Mund voll Suppe. »Der Antichrist ist entfesselt und überzieht die Erde mit Feuer und Blut.« Ich machte eine dramatische Pause. »Und wie ich höre, will der Teufel ganz besonders mit
dir
ein Wörtchen wechseln.« Ich bemühte mich um eine ernste Miene, musste aber immer wieder grinsen. So zu tun, als stünde der Weltuntergang bald bevor, war ein alter Scherz von John und mir. Doch einige Leute am Tisch warfen mir erschrockene Blicke zu und bekreuzigten sich.
    »Tja, wenn dein Antichrist sich hier in Hallamshire blicken lässt, werde ich ihm den Schwanz und die Eier abschneiden, dass er auf dem ganzen Rückweg in die Hölle Blut pinkelt«, entgegnete John unbekümmert, schnitt eine dicke Ecke von einem Laib Käse ab und stopfte sie sich in den Mund. »Singst du heute Abend?«, fügte er hinzu, wobei ihm gelbe Krümel aus dem Mund flogen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin zu müde. Morgen, versprochen.«
    »Über solche Sachen dürft ihr keine Witze machen«, sagte Will Scarlet, der mich über eine dampfende Terrine hinweg nervös anstarrte. »Über den Antichristen und so weiter. Eure Scherze verhelfen dem Teufel nur zu noch mehr Macht.«
    Will war auffallend fromm geworden, seit wir erfahren hatten, dass uns dieses große, heilige Abenteuer bevorstand. »Du hast ganz recht, Will«, sagte eine gütige Stimme mit leicht walisischem Akzent. »Ganz recht. Aber der junge Alan fürchtet sich nicht vor dem Teufel, nicht wahr?« Das war Bruder Tuck, der mich vom unteren Ende der Tafel her anlächelte. »Heutzutage, mit einer scharfen Klinge in jeder Hand, fürchtet sich der junge Alan vor gar nichts mehr … Aber vor ein paar Jahren, als wir uns begegnet sind, ich sage euch, da hat sich dieser Bursche vor seinem eigenen Schatten gefürchtet. Ja, wegen jedem Eimer verschütteter Milch ist er in Tränen ausgebrochen …«
    Tuck unterbrach seine Neckerei abrupt, als ein über den Tisch geschleuderter

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