Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
Sichtlich erschrak er noch mehr, als er das wilde Aussehen Bruder Guilberts mit dem starren Blick und dem strähnigen Haar bemerkte. Der Laienbruder war jedoch von Pater Henri geschickt worden, der zu einem eiligen Treffen rief. Die Schmiedearbeit musste warten.
Bruder Guilbert unterbrach sie sofort und begab sich ins Lavatorium, um sich für die Begegnung mit seinem Prior herzurichten und sich ihm würdig zu erweisen.
»Guten Abend, mein lieber Vulcanus«, begrüßte ihn Pater Henri im Scherz, als der sauber gewaschene, aber noch schwitzende Bruder Guilbert sich bückte, um durch eine Türöffnung, die für bedeutend kleinere Männer gedacht war, ins Skriptorium zu treten.
»Guten Abend, mein lieber Vater Jupiter«, entgegnete Bruder Guilbert im selben Tonfall und setzte sich ungebeten vor das Schreibpult, an dem Pater Henri stand und zeichnete.
Es wurde eine Zeit lang still, während Pater Henri einige Kritzeleien beendete und dann langsam die Schreibfeder abtrocknete und beiseitelegte. Dann räusperte er
sich so, wie es Bruder Guilbert und so viele andere in Varnhem oder Vitae Schola kannten. Es war das Signal, dass jetzt eine mehr oder weniger lange Erklärung zu erwarten war.
»Ich werde unserem Sohn Arn gleich die Beichte abnehmen«, begann Pater Henri mit einem tiefen Seufzen. »Und ich werde ihm die Absolution erteilen. Sofort. Er wird es nicht erwarten, und es wird ihm auch nicht gefallen, denn er ist voller Reue und von dem Gedanken an seine Sünde erfüllt. Nun ja, du kannst dir vorstellen, was ihn beschäftigt und wie es in ihm aussieht. Du sollst aber wissen, mein geliebter Bruder, dass ich mich vor dieser Aufgabe auf Herz und Nieren geprüft habe. Das Ergebnis meiner Überlegungen ist für dich oder mich nicht nur angenehm. Was geschehen ist, ist nämlich nicht Arns Schuld, sondern eher deine und meine. Wir haben es natürlich mit einem Konflikt zwischen Gottes Gesetz und dem weltlichen zu tun, wie barbarisch dieses uns auch erscheinen mag. Weder das weltliche Gesetz noch das göttliche betrifft Arn. Was dich und mich anbelangt, so schweigt es voller Feingefühl, und inzwischen weißt du, was ich damit meine. Sei bitte so gut und sage jetzt nicht: Hab ich’s nicht gesagt?«
»Hab ich’s nicht gesagt, Pater? In aller Demut«, entgegnete Bruder Guilbert schnell. »Wir hätten ihm sagen müssen, wer er ist. Hätte er gewusst, wer er ist, als er auf die betrunkenen Bauern traf …«
»… hätte niemand zu Schaden kommen müssen, ich weiß!«, unterbrach ihn Pater Henri, aus dessen Stimme eher Verzweiflung als Ärger herauszuhören war. »Wie auch immer: Wir haben nun mal so gehandelt, wie wir es getan haben, und müssen jetzt an das denken, was daraus folgt. Was mich betrifft, muss ich Arn dazu bringen zu
verstehen, dass ihm vor dem Gesetz Gottes vergeben ist, und ich glaube, dass das keine leichte Aufgabe sein wird. So wahr mir Gott helfe, ich liebe diesen Knaben wirklich! Als er auf dem Weg zum Haus seines Vaters von uns wegritt, war er etwas so Seltenes wie ein Mensch ohne Sünde …«
»Ein Parzival«, murmelte Bruder Guilbert nachdenklich. »Wahrlich ein junger Parzival.«
»Ein was? Ach so, der, nun ja, mag sein«, brummte Pater Henri, der sich in seinen wild kreisenden Überlegungen ein wenig gestört fühlte. Er verstummte kurz, bevor er fortfuhr:
»Nun, Bruder Guilbert, befehle ich dir als dein Prior Folgendes: Wenn ich Arn zu dir schicke, sollst du ihm in all dem, was ich nicht habe erklären können, die Wahrheit offenbaren. Du weißt, was ich meine?«
»Ich weiß ganz genau, was du meinst, Pater, und ich werde deinen Befehl bis ins Kleinste befolgen«, erwiderte Bruder Guilbert mit tiefem Ernst.
Pater Henri nickte still und nachdenklich. Dann erhob er sich und verließ mit einer Handbewegung zum Abschied den Raum. Bruder Guilbert blieb lange sitzen, denn er betete innerlich um die Kraft der rechten Worte, wenn es galt, den Befehl umzusetzen, den er soeben erhalten hatte.
Arn hatte zehn Tage in einer der Gästezellen von Varnhem zugebracht. Er hatte jedoch alles entfernt, was nur Gästen zustand, die gut gefüllte Strohmatratze, die roten Steppdecken und die Lammfelle, und hatte sich selbst Schweigen sowie ausschließlich Wasser und Brot auferlegt.
Pater Henri traf ihn bleich und mit schwarzen Ringen unter den Augen an. Der Blick des Jungen war erstarrt vor Trauer. Es war unmöglich, auszumachen, wie er sprechen und sich betragen würde, oder ob er überhaupt bei Sinnen war und
Weitere Kostenlose Bücher