Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
nicht gleich attackieren«, begann Arn zögernd. »Wenn ich dich auf der Stelle attackierte, würden deine Kraft und deine Reichweite schnell die Entscheidung bringen. Ich würde dir lange ausweichen, würde dich umkreisen und warten, bis …«
»Ja?«, sagte Bruder Guilbert mit einem feinen Lächeln. »Bis was?«
»Bis … mir ein Zufall zu Hilfe kommt, bis du dich so stark bewegt hast, dass dir dein Gewicht und deine Stärke
nicht mehr zum Vorteil gereichen. Aber ich würde niemals …«
»So sieht es aus, wenn du selbst denken darfst!«, unterbrach ihn Bruder Guilbert. »Und damit zu einer noch wichtigeren Frage. Pater Henris Idee, dir nie zu sagen, wer du bist, ist rein logisch leicht zu verstehen, nicht wahr? Wir mussten um jeden Preis dafür sorgen, dass du dir nichts einbildest. Wir mussten dich vor jeder Art von Hochmut bewahren, besonders wenn es um Dinge ging, die hier bei uns zwar als niedrig gelten, aber nicht dort, wo ich mich aufhielt, bevor ich hierherkam. Ich habe während meines Lebens in Outremer viele Brüder ausgebildet, dabei aber trotzdem nur wenige Männer mit solchen Gottesgaben gesehen, wie du sie besitzt, wenn es um den geschickten Umgang mit Waffen geht. Du hast zwei Geheimnisse, die dich sehr stark machen. Ich glaube, das eine ist dir schon bekannt?«
»Ich kann blitzschnell von der rechten in die linke Hand wechseln«, erwiderte Arn leise und blickte auf die Tischplatte. Es war, als schämte er sich, ohne den Grund dafür zu kennen.
»Genau«, bestätigte Bruder Guilbert. »Und jetzt werde ich dir verraten, worin dein zweites Geheimnis besteht. Du bist kein so hochgewachsener Mann wie ich. Mehr als die Hälfte aller Männer, denen du da draußen in der anderen Welt begegnen könntest, sehen deshalb größer und stärker aus. Doch das Einzige, was du in deinem ganzen Leben trainiert hast, ist genau das: gegen einen Mann zu kämpfen, der größer ist als du selbst. Das beherrschst du am besten. Fürchte deshalb nie einen Gegner, der groß aussieht, fürchte aber auch nie einen, der gleich groß ist wie du oder sogar kleiner. Noch etwas Wichtiges: Die Gefahr, dass du hochmütig werden könntest, die Pater Henri
so viel Kummer machte, besteht tatsächlich, wenngleich vielleicht nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Ich habe schon viele Männer gerade wegen ihres Hochmuts sterben sehen, weil sie sich inmitten eines Kampfes gegen einen unterlegenen Gegner selbst zu sehr bewunderten. Vergiss das nie! Denn selbst wenn alle deine Landsleute da draußen dir bei einer Übung unterlegen wären, kann fast jeder dich in dem Augenblick verwunden oder sogar töten, in dem du hochmütig wirst. Es will mir scheinen, als ob die Strafe Gottes eher den trifft, der mit einer Waffe in der Hand sündigt. Das Gleiche gilt für Zorn oder Habgier. Denn eins sage ich dir - die Kunst, die du innerhalb dieser geheiligten Mauern erlernt hast, ist eine gesegnete Kunst. Wenn du also das Schwert in Sünde hebst, bist du der Strafe Gottes sehr nahe. Vergiss das nie, Arn. Amen.«
Als Bruder Guilbert seine Darlegung beendet hatte, saßen beide eine Zeit lang schweigend da. Arn blickte immer noch starr auf eine der drei flackernden Kerzenflammen, während Bruder Guilbert ihn verstohlen betrachtete. Fast hatte es den Anschein, als wollten beide warten, bis der andere als Erster etwas sagte.
»Du fragst dich, welche Sünde mich von den Templern zu den Zisterziensern getrieben hat?«, fragte Bruder Guilbert schließlich.
»Ja, natürlich«, erwiderte Arn. »Es gelingt mir aber nicht, dich mir als schweren Sünder vorzustellen, lieber Bruder Guilbert. Das passt ganz einfach nicht.«
»Das liegt wohl eher daran, dass du dir die Welt da draußen nicht vorstellen kannst. Die Welt da draußen ist nämlich voller Sünden und Versuchungen. Sie ist ein Sumpf und voller Fallgruben. Meine Sünde war die Simonie, die schlimmste Sünde unter den Regeln der Templer. Weißt du überhaupt, was das ist?«
»Nein«, erwiderte Arn wahrheitsgemäß und verwundert zugleich. Er hatte schon von tausend Sünden gehört, großen und kleinen, aber nie von dieser Simonie.
»Der Simonie macht man sich schuldig, wenn man sich für Dienste des Herrn bezahlen lässt«, erwiderte Bruder Guilbert mit einem Seufzen. »In unserem Orden haben wir sehr viel Geld verwaltet, das wir einnahmen und wieder ausgaben, und manchmal war es vielleicht schwer, zu erkennen, was Sünde war und was nicht. Aber damit will ich mich nicht entschuldigen. Ich habe
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