Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
Strafe für ungerecht hielt, doch er fügte hinzu, er wollte eben gern wissen, worin seine Sünde bestand, um sich bessern zu können. Aber Gott antwortete ihm nicht.
Der Musikmeister an der Vitae Schola, Bruder Ludwig de Bêtecourt, nahm das, was geschehen war, erstaunlich leicht und tröstete Arn damit, dass das nun einmal zu Gottes naturgegebener Ordnung gehöre. Alle verloren früher oder später ihre Knabenstimme und sangen eine Zeit lang krächzend wie Kolkraben, bevor sie zu Männern wurden. Doch da Bruder Ludwig nicht garantieren konnte, dass Arns Stimme nach der Metamorphose wieder zum Singen taugen würde, ließ der sich nicht trösten.
Der Gesang war an der Vitae Schola seine wichtigste Tätigkeit gewesen, denn während der Messen spürte er, dass er mit seinem Gesang am ehesten Gutes tat und dass seine Arbeit wirklich etwas bedeutete. Die übrigen Tätigkeiten waren so geartet, dass sie entweder für den Leib oder die Seele eine reine Freude waren, etwa die Bücher oder die Pferde oder Bruder Guilberts Übungen, aber letztlich doch Arbeit, die ihm selbst mehr Nutzen zu bringen schien als den Brüdern. Da er die Brüder jedoch so liebte, wie es die Regeln vorschrieben, wollte er ihnen gern alles vergelten, um sich ihrer Liebe verdient zu machen. Der Gesang war dafür sein wichtigstes Mittel gewesen.
Nicht mehr singen zu können, obwohl der Gesang ihm noch im Kopf steckte und er jeden Ton richtig dachte,
bevor sein Mund ihn falsch entließ, war etwa so, als verlöre er plötzlich das Gleichgewicht, als könnte er nicht mehr gehen, laufen oder reiten. Bruder Ludwig hatte erklärt, er werde bei den Messen nicht mehr gebraucht, und das empfand er als harte Strafe für sein Versagen.
Pater Henri hatte Ungeduld verspürt, weil es so schwierig war, dem Knaben das Selbstverständliche zu erklären. Es genügte offenbar nicht, wie er zunächst geglaubt hatte, die Sache mit dem Stimmbruch als etwas zu erklären, das jeden traf. Es erstaunte ihn, dass nicht einmal der einfache und, wie er meinte, leicht zu beobachtende Umstand, dass Männer sich anders anhörten als Knaben, auf Arns Verstand Eindruck zu machen schien. Besorgniserregend war dagegen, dass Arns anscheinend unnötiger Kummer in Wahrheit etwas ganz anderes ausdrückte, nämlich eine große Einsamkeit. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, mit anderen Knaben aufzuwachsen, ob nun innerhalb oder außerhalb der Mauern, wäre es ihm vielleicht leichtergefallen, sich selbst als das zu sehen, was er war, ein Knabe oder vielleicht auch ein zukünftiger Bruder, aber eben noch kein fertig ausgebildeter Mönch.
Der Grund dafür, dass man beim Zisterzienserorden keine Oblaten mehr aufnahm, war eher theologischer als praktischer oder ökonomischer Natur. Knaben, die innerhalb von Klostermauern aufwuchsen, würden, so glaubte man, ihrer individuellen und intellektuellen Freiheit beraubt und könnten nichts anderes als Klosterbrüder werden, wenn sie erst erwachsen waren.
Pater Henri erinnerte sich noch gut an das Gespräch mit seinem Kollegen Pater Stéphane, als Arns Mutter nach Varnhem gekommen war, um, wie sie es ausdrückte, »Gott ihren Sohn zu schenken«. Sie waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Arn mit sehr lockeren Zügeln erzogen
werden sollte, um später eine mögliche Berufung durch den Herrn mit einem freien und ungebrochenen Gemüt erfüllen zu können.
Dass Arn nicht einmal akzeptieren konnte, dass es irgendwo zwischen Geburt und Tod den Stimmbruch gab, war ein Alarmsignal. Einerseits war der Knabe, verglichen mit der niederen Welt außerhalb der Mauern, gebildeter als jeder erwachsene Mann, zumindest hier oben im barbarischen Norden. Vermutlich konnte er außerdem besser mit Waffen umgehen als jeder andere dort draußen.
Andererseits würde er nicht einmal am Speisetisch seiner Landsleute sitzen können, ohne sich zu ekeln, würde sich keinen Tag da draußen aufhalten können, ohne zu erleben, dass die Menschen logen, dass die meisten der Todsünden, die Arn wahrscheinlich eher als theoretische moralische Beispiele zu abschreckenden Zwecken verstand, von den Menschen da draußen tagtäglich begangen wurden.
Arn verstand vermutlich nicht, was Hochmut war, es sei denn, er holte sich Beispiele aus der Heiligen Schrift. Was Völlerei und Habgier waren, konnte er sich vermutlich nicht einmal vorstellen. Zorn kannte er wohl nur als den Zorn Gottes, was den Sündenbegriff bei ihm völlig durcheinanderbringen musste. Auch Neid war, soweit Pater Henri es
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