Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
verfolgt hätte. Und dann hätte er doch nichts Böses tun können. Dieses Thema wird doch sogar vom heiligen Bernhard immer wieder behandelt.«
Arn verstummte, denn er sah, dass Pater Henri mit gerunzelter Stirn in Gedanken versunken dasaß. Das deutete darauf hin, dass er nicht gestört werden wollte, weil er sich gerade bemühte, eine harte Nuss zu knacken.
Arn wartete geduldig, da Pater Henri ihn noch nicht entlassen hatte. Schließlich blickte dieser hoch, sah Arn an und lächelte aufmunternd. Er strich dem Jungen sanft über die Hand und nickte zustimmend, als er sich für eine Erklärung rüstete, die er wie gewohnt mit einem langen Räuspern einleitete.
»Junger Mann, du erstaunst mich, wenn du mich auf einem Gebiet, das vielleicht nicht zu deinen besten gehört hat, mit diesem Scharfsinn überraschst«, begann Pater Henri. »Du hast zwei Probleme angesprochen, die miteinander zusammenhängen. Dein Hinweis darauf, dass eine kleine Sünde von Bruder Guilbert Schlimmeres hätte verhindern können, ist formal richtig. Dennoch ist er falsch. Wenn Bruder Guilbert in dem Augenblick, in dem er wählen konnte - nämlich zwischen der Anwendung von Gewalt und dem Verhalten, für das er sich dann entschieden hat -, wenn er da gewusst hätte, was seine Handlung
für Folgen haben würde, dann, aber erst dann besäße deine Argumentation Gültigkeit. Ohne boshaft zu sein, muss ich doch darauf hinweisen, dass deine formale Darstellung der Logik voraussetzt, dass Bruder Guilbert nicht ein sterblicher und sündiger Mensch ist, sondern vielmehr davon ausgeht, dass er Gott sei und die Wahrheit ebenso überblicken kann wie alles, was künftig geschieht. Aristoteles hätte deine Darstellung sicher akzeptiert. Immerhin ist es ein erhebendes Beispiel, da es uns so deutlich zeigt, wie unbeholfen wir Menschen sein können, wenn wir nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige zu tun versuchen.«
»Nicht besonders erhebend für die armen Teufel, die sich zu einer größeren Sünde verleiten ließen, dafür gehenkt wurden und jetzt in der Hölle ewige Qualen leiden«, brummte Arn übellaunig und wurde sofort scharf zurechtgewiesen. Pater Henri erlegte ihm wegen seiner Impertinenz zehn Paternoster auf.
Während Arn gehorsam seine Gebete sprach, nutzte Pater Henri dankbar und nicht ganz ohne schlechtes Gewissen diese Frist, um weiterzudenken, und er entdeckte erschrocken, dass er sich seines Gegenarguments nicht mehr sicher war.
War es auch keine Übertreibung, zu behaupten, dass Bruder Guilbert Gott sein müsse, um voraussehen zu können, dass mäßige Gewalt ohne Zorn in diesem Zusammenhang mehr Gutes hätte bewirken können als die von Jesus Christus auferlegte Friedfertigkeit? War es nicht vielmehr so, dass Bruder Guilbert sich in solchen Fällen jeder gedanklichen Prüfung verschloss und nur blind seiner selbst auferlegten Buße für die im Heiligen Krieg begangenen Sünden gehorchte und deshalb unter allen Umständen auf Gewalt verzichtete?
In diesem Fall war Bruder Guilbert gewiss rein und ohne Sünde, trotz seiner Handlungsweise. Doch der kleine Arn hatte tatsächlich zum ersten Mal eine Probe seines theologischen Scharfsinns an den Tag gelegt und, was noch besser war, eine echte Einfühlung in den Glauben gezeigt.
»Wir sollten uns jetzt deinem zweiten Problem zuwenden«, sagte Pater Henri demonstrativ freundlich zu Arn, als der seine zehn Paternoster heruntergeleiert hatte. »Der heilige Bernhard weist sehr richtig darauf hin, dass das, was in guter Absicht geschieht, nicht zu etwas Bösem führen kann. In welchem Zusammenhang hat diese Gewissheit die größte praktische Bedeutung?«
»In der Frage der Kreuzzüge, natürlich«, erwiderte Arn gehorsam.
»Richtig! Allerdings laufen die Kreuzzüge darauf hinaus, dass Sarazenen in großer Zahl getötet werden, nicht wahr? Nun, gilt hier also nicht das Verbot zu töten? Und wenn nicht, warum nicht?«
»Dass es hier nicht gilt, geht ja schon daraus hervor, dass diese Tötungen stattfinden, und zwar mit dem Segen des Heiligen Vaters in Rom«, erwiderte Arn vorsichtig.
»Ja, aber das ist ein Zirkelschluss, mein Sohn. Ich habe gefragt, warum?«
»Weil wir davon ausgehen müssen, dass das Gute, das darin besteht, das Heilige Grab für die Gläubigen zu bewahren, viel besser ist, als es böse ist, Sarazenen zu töten«, begann Arn zögernd.
»Ja, du bist auf dem richtigen Weg«, bestätigte Pater Henri mit einem nachdenklichen Kopfnicken. »Aber nicht einmal in dem Moment,
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