Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
als der Herr Jesus die Händler aus dem Tempel jagte, wollte er sie doch erschlagen, oder?«
»Schon, aber das könnte ja daran liegen, dass er durch den Zorn seines Vaters, der natürlich ein völlig anderer Zorn ist als unsere menschliche Wut, gerade so viel Gewalt anwandte, wie nötig war. Er verjagte die Händler tatsächlich aus dem Tempel. Er brauchte sie jedoch nicht zu töten. Das ist so, als hätte Bruder Guilbert …«
»Langsam, langsam! Jetzt kehren wir zur Ausgangsfrage zurück«, unterbrach ihn Pater Henri brüsk. Er lächelte jedoch hinter seiner strengen Maske still in sich hinein, weil es Arn jetzt plötzlich und beinahe zufällig gelungen war, ein fast unwiderlegbares Argument zur Stärkung seiner früheren Position zu finden, dass Bruder Guilbert nämlich mäßige Gewalt hätte einsetzen sollen. Er hätte ganz einfach so auftreten sollen wie der Herr Jesus im Tempel.
»Hat unser Herr Jesus sich je von Soldaten distanziert? Hat er sie wegen ihrer Taten je verdammt?«, fragte Pater Henri mit demonstrativ gedämpfter Stimme.
»Soviel ich weiß, nicht …«, überlegte Arn. »Solange die Soldaten sich als ehrliche Menschen aufführen, wenn sie nicht im Dienst sind … dann ist es auch nicht falsch, Soldat zu sein.«
»Richtig! Und was tun Soldaten?«
»Sie töten Menschen. Wie die Landsknechte, die wegen deines Briefs an den König hergekommen sind, Pater. Aber was haben Landsknechte und Könige da draußen in der niederen Welt mit uns zu schaffen?«
»Das ist eine sehr interessante Frage, mein Sohn. Du fragst nämlich Folgendes: Gibt es eine Situation, in der Menschen wie du oder ich töten könnten? Ich sehe, dass du zögerst. Bevor du etwas Dummes sagst, was du vielleicht bereust, werde ich für dich antworten. Es gibt nämlich eine Ausnahme. Der Herr Jesus hat in seiner unaussprechlichen
Güte natürlich gemeint, dass wir andere Kinder Gottes nicht töten dürfen, nicht einmal römische Landsknechte oder auch nur dänische, um das gleich zu sagen. Aber es gibt ein Volk, das nicht unter das Verbot des Herrn fällt, und ich glaube, du errätst schon, welches?«
»Die Sarazenen!«, erwiderte Arn schnell.
»Wieder richtig! Denn die Sarazenen sind keine Menschen, sondern Teufel in Menschengestalt. Sie zögern nicht, christliche Säuglinge mit ihren Speeren aufzuspießen und sie über offenem Feuer zu braten, um sich daran satt zu essen. Sie sind bekannt für ihr liederliches Leben, ihr unmäßiges Saufen und dafür, dass sie sich ständig der Sodomie und der Kopulation mit Tieren schuldig machen. Sie sind der Abschaum der Erde, und jeder erschlagene Sarazene ist ein gottgefälliger Anblick. Und wer Sarazenen tötet, hat eine heilige Handlung vollführt. Ihm ist deshalb das Paradies sicher!«
Pater Henri hatte sich immer mehr in Rage geredet, während er die Abscheulichkeit der Sarazenen schilderte, und Arn hatte bei seinen Worten die Augen immer weiter aufgerissen. Was er da zu hören bekam, ging über seinen Verstand. Er konnte sich nicht einmal in seiner Fantasie vorstellen, wie es aussah, wenn diese abscheulichen Wesen gebratene Christenkinder aßen. Er konnte nicht verstehen, wie solche Teufel überhaupt eine menschenähnliche Gestalt haben konnten.
Er konnte jedoch einsehen, dass es eine gottgefällige Tat wäre, sogar für Brüder, die innerhalb der Mauern lebten, solche Scheusale zu erschlagen. Er zog aus Pater Henris Worten auch den Schluss, dass eine unendlich große Kluft zwischen dem dänischen Gesindel lag, das in so unglücklicher Weise auf räuberische Abwege gekommen
war, und den Sarazenen. In dem einen Fall galt ohne Ausnahme das Gebot: Du sollst nicht töten. Im zweiten Fall war es genau umgekehrt.
Obwohl eine so einfache und klare Schlussfolgerung hier oben im Norden kaum praktische Bedeutung besaß.
In den Jahren, in denen Arn in der Messe nicht singen konnte, veränderte er sich ebenso wie seine Arbeit. Die Zeit, die er früher bei Bruder Ludwig und den Chorsängern verbracht hätte, war er jetzt bei Bruder Guy unten am Strand. Dieser hatte ihm schon bald beigebracht, wie in seiner Heimat Netze geknüpft, Fische gefangen und kleine Boote manövriert wurden; sicherheitshalber hatte Bruder Guy auch dafür gesorgt, dass Arn schwimmen und tauchen lernte.
Bei Bruder Guilbert war er inzwischen ebenso sehr Arbeiter wie Schüler. Man übertrug ihm immer schwerere Aufgaben in den Schmieden, und seine Arme wuchsen fast genauso schnell, wie er in die Höhe schoss. Er beherrschte
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