Der Kreuzritter - Das Erbe - Guillou, J: Kreuzritter - Das Erbe - Arvet efter Arn
aus Visby ihre Schiffe dem dänischen Heer ohne Soldaten entgegenschicken wollen«, murmelte Elof verlegen.
»Das glaube ich auch nicht«, erwiderte Birger. »Deswegen brauche ich auch deine Hilfe. Du musst so viele Schiffe wie möglich kaufen und mit Pökelfleisch, Dörrfisch und Getreide beladen. Gold habe ich genug dabei, sowohl das Gold des Königs als auch mein eigenes, und dir leihe ich gerne die Hälfte meines Goldes.«
»Somit würden wir riskieren, alles zu verlieren«, wandte Elof entsetzt ein.
»Ganz richtig«, bestätigte Birger. »So ist das nun einmal im Krieg. Man riskiert immer, sein Leben und seinen Besitz zu verlieren, aber wer nicht wagt, gewinnt auch nicht. Stell dir einmal das Gegenteil vor! Wir helfen Lübeck mit zehn Koggen mit Lebensmitteln. Ich glaube, du bekommst in Lübeck einen guten Preis für deine Waren, da die letzten Katzen und Hunde dort bereits jetzt recht teuer werden.«
»Wir könnten unser Geld verzehnfachen«, sagte Elof mit einem plötzlichen Hoffnungsschimmer in den Augen. »Aber wozu brauchst du deine Schmiede?«
»Die sollen den Vordersteven der Schiffe mit Eisen beschlagen«, meinte Birger lächelnd. »Wir werden die Ketten
mit dem Gewicht der Schiffe sprengen. Das bedeutet, dass unsere Aussichten zu siegen zunehmen, je mehr Schiffe wir kaufen und schwer beladen. Es ist also gefährlicher, zu wenig zu riskieren als zu viel.«
»Du schlägst da wirklich ein ungewöhnliches Geschäft vor, mein Bruder«, meinte Elof nachdenklich. »Hier geht es um alles oder nichts. Tod oder Reichtum ohne weiteren Kummer , wie du meine düstere Lage nennst.«
»Ja, hier geht es für uns beide um alles oder nichts«, pflichtete ihm Birger bei. »Auf dem Festland sitzt der Jarl Ulf und betet zu Gott und allen Heiligen, dass ich Pech haben werde. Er würde mich am liebsten in dänischer Gefangenschaft verschmachten sehen. Aber wenn uns diese Sache glückt, dann gewinnen wir mehr als nur unseren eigenen Reichtum. Denn Lübeck wird sich nicht undankbar erweisen. Denk nur, was eine zehnjährige Zollfreiheit zwischen Lübeck, Visby und Söderköping für unseren Handel bedeuten würde. Von einem Zollprivileg für dich ganz zu schweigen …«
Als der Bodenfrost im folgenden Frühling ungewöhnlich spät gewichen war, konnte Ingrid Ylva endlich die kräuterkundige und weise Jorda in Bjälbo in geweihter Erde begraben lassen, was sie eher erleichterte als traurig stimmte. Seit dem Abend, an dem Jorda und Vattna zu ihr nach Ulvåsa gekommen waren, war sie ihre Beschützerin gewesen, und alle drei hatten dafür ein gewisses Maß an Getuschel und Tratsch in Kauf nehmen müssen.
Es hätte viel schlimmer enden können, da das Wissen der Frauen über Gottes Natur nur bei einem schweren Kindbett oder hohem Fieber willkommen war. Die Dankbarkeit dauerte aber nie lange an. Wurden Kühe krank
und mussten notgeschlachtet werden, dann wurde von Hexen und Zauberei gemunkelt. Starb jemand an schweren Magenschmerzen, gegen die weder Jorda noch Vattna ein Mittel besaßen, dann hieß es, sie hätten mit ihren Kräutern getötet, statt zu heilen. Hätten sie eine weniger mächtige Beschützerin als die Mutter des Folkungerjarls auf Bjälbo gehabt, hätten Vattna und Jorda vermutlich von Ort zu Ort fliehen müssen, um nicht als Hexen getötet zu werden. In Bjälbo hatten sie ihre letzten zwanzig Jahre in Sicherheit gelebt und ruhten jetzt Seite an Seite in geweihter Erde. Nichts konnte sie mehr bedrohen.
Sie hatten all ihr Wissen und eine stattliche Anzahl versiegelter, heil- oder todbringender Forsviker Gläser an Ingrid Ylva vererbt. Diese standen auf langen Wandborden in der Turmkammer der Kirche.
In Bjälbo taten die Kleriker, wie ihnen Ingrid Ylva befohlen hatte. Die Totenmesse zog sich in die Länge, und unzählige Fürbitten wurden für Vattna und Jorda gebetet.
In der Nacht nach der Totenmesse erschien Ingrid Ylva die Jungfrau Maria in ihrer Schlafkammer in einem roten Umhang und mit einer Krone auf dem Kopf. Sie blieb am Fußende ihres Bettes stehen, lächelte sanft und formte ihre kleinen, weißen Hände zu einer Schale. Aus ihren Händen drang ein starker, erst blendend weißer, dann goldener Lichtschein, der den ganzen Raum erleuchtete. Der immer intensivere Goldglanz formte sich zu einer Königskrone, die die Heilige Jungfrau Ingrid Ylva zunächst entgegenstreckte und dann in die Luft hielt. Im nächsten Moment ließ sie die Krone los, worauf sie über dem Bett schwebte.
Die Heilige Jungfrau
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