Der Kreuzritter - Das Erbe - Guillou, J: Kreuzritter - Das Erbe - Arvet efter Arn
strich ihren roten Umhang beiseite, und plötzlich standen Ingrid Ylvas Enkel, der blonde Valdemar und der schwarzhaarige Magnus, in der Kammer.
Die Hände auf den Köpfen der beiden Knaben, stieg die Heilige Jungfrau zur Decke auf und verschwand.
Die goldene Königskrone schwebte noch einen Augenblick über Ingrid Ylvas Bett und erleuchtete die Kammer. Es wurde hell wie an einem Sommertag, dann war es plötzlich finster.
Ingrid Ylva saß kerzengerade und hellwach in der Dunkelheit. Da hörte sie die sanfte Stimme der Heiligen Jungfrau zugleich in der ganzen Kammer, über sich und in sich:
»Ehe ich dich zu mir rufe, Ingrid Ylva, sollst du an etwas denken. Solange du deinen Kopf aufrecht hältst, wird den Folkungern nichts Böses widerfahren.«
In dieser Nacht fand Ingrid Ylva nicht mehr viel Schlaf. Was ihr die Heilige Jungfrau gesagt und gezeigt hatte, war teils leicht zu verstehen, teils aber auch schwer begreiflich. Dass die Königskrone nach Erik Eriksson einmal an Valdemar fallen würde, meinte Ingrid Ylva bereits zu wissen, und mit dem hohen Schutz, den sowohl Valdemar als auch sein kleiner Bruder Magnus jetzt genossen - denn das hatte die Heilige Jungfrau deutlich gezeigt -, konnte es nicht anders ausgehen.
Das Geschlecht der Eriker existierte nicht mehr. Es war durch viele Heiraten in dem der Folkunger aufgegangen, wie es Birger vor über zwanzig Jahren vorhergesagt hatte. Nach König Erik gab es keinen Kronprätendenten seiner Familie mehr, der nicht zugleich auch Folkunger gewesen wäre, und so stellte sich die Frage, welcher seiner Neffen der Erste unter den Folkungern war. Birgers Söhne Valdemar und Magnus genossen nicht nur den Vorzug, dass seine Mutter eine Schwester des Königs war, auch ihre Großmutter Ingrid Ylva stammte aus einer Königsfamilie.
Dass Erik Eriksson der Lahme selbst einen Sohn zeugen würde, glaubte Ingrid Ylva mittlerweile ebenso wenig wie sonst jemand im Reiche. Vier Jahre zuvor hatten seine Berater die richtige Braut für ihn gefunden, wenn man nur den Stammbaum in Betracht zog, wie es auf Forsvik bei Hengsten und Stuten der Fall war. König Erik hatte Katarina Sunesdotter heiraten müssen, was keine schlechte Idee gewesen war.
Durch ihren Vater, Ritter Sune zu Älgarås, stammte Katarina aus einer der vornehmsten Folkungerfamilien. Sie war die Tochter eines Helden von Gestilren. Aber nach dem Sieg von Gestilren war Ritter Sune, einer der kühnsten jungen Folkunger, der Arn Magnusson sehr nahegestanden hatte, unverzüglich zum Kloster Vreta geritten, obwohl er aus mehreren Wunden vom Schlachtfeld geblutet hatte.
Im Kloster Vreta lebte seine geliebte Helena, Tochter des Königs Sverker, der soeben auf dem Schlachtfeld erschlagen worden war. Er hatte sie befreit, genau genommen war sie ihm entgegengelaufen, obwohl böse Zungen behaupteten, es habe sich um Entführung und Klosterraub gehandelt. Anschließend waren sie nach Älgarås geritten und hatten dort als Mann und Frau gelebt, und Frau Helena hatte vier Töchter zur Welt gebracht.
Das war ein schönes Märchen von der Liebe, zudem noch einer passenden Liebe, da es für einen Folkunger nie unklug war, eine Königstochter zu heiraten. Aber was dieses Märchen nicht erzählte - und Ingrid Ylva hatte aus Zartgefühl auch nie gefragt, wenn sie Sune Folkesson oder Helena Sverkersdotter bei einem Festmahl des Königs oder bei den Weihnachtsfeiern in Bjälbo getroffen hatte -, war, ob sie wusste, dass ihr Mann zusammen mit
Arn Magnusson ihren Vater König Sverker in Gestilren erschlagen hatte.
Wie auch immer, einen Sohn schien Helenas und Sunes Tochter Katarina von Gottes Gnaden jedenfalls nicht zur Welt bringen zu können. Wahrscheinlich war sie zu lange im Kloster gefangen gehalten worden, noch dazu in Vreta, wo ihre Mutter Helena sich vor Liebessehnsucht verzehrt hatte, bevor sie eines Tages geholt und zum Königshof am Fyrisvallen gebracht worden war, um die Hochzeitsnacht mit dem König zu verbringen.
Das Kloster konnte einer Jungfer ebenso schaden wie nützen. Je mehr Ingrid Ylva darüber nachdachte, desto sicherer war sie, dass Jungfer Katarina das Kloster nicht bekommen war.
Schließlich konnte ihre Mutter sie kaum dazu gezwungen haben, nach Vreta zu gehen, wo sie jung und sich nach Liebe sehnend gefangen gehalten worden war. Es gab nur eine Erklärung. Katarina gehörte zu denen, die bereits in jungen Jahren aus Gottesfurcht verrückt geworden waren. Sie sprachen unablässig Gebete, geißelten sich, trugen
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